Frankfurter Buchmesse

Von der Quadratur des Kreises

14. Oktober 2009
von Börsenblatt
Service oder Selbstbedienung? Der Buchhandel steht am Scheideweg. Wohin die Reise geht und ob nicht eventuell doch beides möglich ist: Darüber diskutierten heute vier Vertreter aus der Branche im Börsenblatt-Café.

Auf dem Podium waren dabei: Jan Duken, der gemeinsam mit seiner Schwester Kerstin Duken in Hamburg-Othmarschen die Buchhandlung Quotes betreibt,  Reinhold Joppich, Vertriebs- und Marketingleiter bei Kiepenheuer & Witsch, Christian Riethmüller, Junior-Chef der Osianderschen Buchhandlung – und der Berater Stefan Eß von MDG aus München.

Im Grunde kann sich der Buchhandel im Moment nicht beschweren. Das Geschäft läuft allem Anschein nach gut (wie die aktuellen Branchenzahlen zeigen) - die Regale und Büchertische biegen sich geradezu unter der Last der Bestseller: von Frank Schätzing etwa, von Dan Brown, Herta Müller oder  und Kathrin Schmidt. Dass trotzdem vieles nicht bleiben wird, wie es ist: Darin waren sich alle Podiumsteilnehmer einig...

Wer Service bieten will, braucht genügend gut ausgebildete Mitarbeiter im Laden. Lohnt sich das überhaupt noch? „Natürlich“, meint Christian Riethmüller. „Sie leisten ja auch was.“ Andererseits: Auch die Osiandersche habe heute weniger Mitarbeiter auf den Flächen als noch vor zehn Jahren. „Ich bin mir aber sicher, dass unsere Qualität dennoch heute weit höher ist“ – weil Mitarbeiter heute gezielter weitergebildet würden und weil man Personal heute sehr viel genauer an den tatsächlichen Erfordernissen im Laden ausrichte, je nachdem ob viel oder weniger Betrieb sei. Den Service aufgrund des Kostendrucks zu reduzieren, hält er für den falschen Weg. Vielmehr müsse man heute präziser unterscheiden lernen. „Service und Selbstbedienung schließt sich ja nicht aus.“

20 Buchhandlungen umfasst des Netz des Filialisten, die kleinste misst 100 Quadratmeter, die größte 3.500 Quadratmeter. „Da sind der Service, den wir anbieten, und die von den Kunden gewünschte Beratungsintensität völlig verschieden.“ Nur in den großen Häuser würden sich Kunden lieber selbst bedienen, so seine Erfahrung. Im Übrigen: Unternehmerischer Erfolg sei keine Frage der Größe, „sondern der Einstellung".

Riethmüller lieferte Reinhold Joppich damit eine Steilvorlage. Der Vertriebs- und Marketingchef von Kiepenheuer & Witsch ist unzufrieden mit Teilen des Buchhandels – will aber auch nicht gleich alle über einen Kamm scheren. Er wünsche sich Sortimenter, die sich intensiv mit den gesellschaftlichen Trends auseinandersetzen (und wissen, was gerade in den Medien diskutiert wird). Kurzum: Solche die gern am Bücherregal, zugleich aber auch mitten im Leben stehen. Was er dazu sagt, dass manche der Großen bei Mitarbeitern und am Service sparen? Joppich lächelt. „Ich sehe darin eine Chance für den kleineren, beratenden Buchhandel, Kunden wieder von den Filialisten abzuziehen.“

Jan Duken sieht das alles mit dem wachen Blick des Quereinsteigers. Der Rechtsanwalt und Unternehmensberater betreibt erst seit wenigen Monaten eine Buchhandlung: Gemeinsam mit seiner Schwester, der Autorin Kerstin Duken, eröffnete er im Hamburger Stadtteil Othmarschen einen Laden, der vor allem auf Bestseller setzt. Zweite Besonderheit: Kunden können ihre dort gekauften Bücher, wenn sie möchten, binnen sechs Monaten als Gebrauchtbuch an Quotes wieder zurückverkaufen.

„Das funktioniert besser als gedacht“, berichtet Duken. Viele Kunden seien dankbar für die Rückkauf-Option, auch weil sie auf die Weise das Problem übervoller Buchregale lösen könnten. In der Nische, mit so innovativen Konzepten wie „Quotes“, entwickeln sich neben dem traditionellen Vollsortiment neue Modelle, die passgenau für ihre Kunden Händlerservice anbieten. Duken betonte, dass eine Idee wie das Rücknahmeversprechen auf sein Konzept mit dem Bestseller-Fokus zugeschnitten sei. "In Vollsortimenten mit mehreren tausend Titeln würde das nicht funktionieren."

Der Berater Stefan Eß hörte sich zunächst an, wie sich die anderen Diskutanten die Bälle hin und her warfen. Sieht er noch Chancen, dass sich die Personalkosten drücken lassen – ohne dass die Kunden darunter leiden? „Das gleicht der Quadratur des Kreises“, so Eß. Da müsse jedes Unternehmen seine eigene Formel finden. Zwei Grundregeln sollte dabei aber keiner vergessen: Erstens das Angebot im Laden um passende Zusatzsortimente zu erweitern – und zweitens: Keiner dürfe mehr nur in der Buchhandlung stehen und warten, dass sich die Tür öffnet. Das wichtigste bleibe: „Lust aufs Lesen zu machen.“