Frankfurter Buchmesse

Azubis: "Einzelhandel wäre mir zu langweilig"

16. Oktober 2009
von Börsenblatt
Eine Ausbildung im Buchhandel? Manche fangen bereits an zu gähnen, wenn sie nur daran denken. Das Image sei angestaubt, heißt es, der Verdienst klein. Und die Aussichten, naja, auch die seien anderswo besser. Hat es sich ausgebildet? Im Börsenblatt-Café wurde heute darüber knapp eine Stunde lang diskutiert.

In der Regel ist es ja so: Es wird viel über Auszubildende gesprochen, aber selten mit ihnen. Dringend Zeit also, das zu ändern. Auf dem Podium im Börsenblatt-Café saßen vier Azubis, die Inhaberin einer Buchhandlung und einer, der dem Beruf mittlerweile den Rücken kehrte. Ihr Fazit mal gleich vorweg: Wer Bücher verkaufen will, braucht Spezialwissen – also auch eine Spezial-Ausbildung; nur eine Lehre im Einzelhandel zu machen, genüge nicht.

Eren Güvercin
, Azubi im ersten Lehrjahr bei Ludwig (Eckert-Gruppe) in Köln, trommelt heftig für Variante eins – also dafür, dass im Buchhandel tatsächlich Buchhändler arbeiten (und nicht Einzelhandelskaufleute). „Wir verkaufen nicht nur eine Ware, sondern ein Kulturgut, dafür brauchen wir Fachwissen“, meint er. So kurze Zeit Güvercin auch erst Azubi ist: In seinem Fall ist das sicher keine einstudierte Floskel. Bevor er bei Ludwig startete, arbeitete er anderthalb Jahre als studentische Aushilfe im Buchhandel. „Auch wenn das riskant ist, würde ich gern später eine eigene Buchhandlung aufmachen“, sagt er. „Dass die großen Filialisten beim Personal sparen, ist doch eine tolle Chance für die kleineren Sortimente.“

Julia Winkler und Priscilla Weiland, beide im dritten Ausbildungsjahr bei Buch & Kunst / Thalia in der Dresden Vorzeigefiliale im Zentrum, kratzen solche Aussagen wenig. Überrascht waren die Zuhörer im Börsenblatt-Café vor allem davon: (a) Mit welcher Überzeugung sie darüber sprachen, dass sie "sehr, sehr gern" beraten, und (b) wie selbstsicher (und doch frei von jeder Attitüde) sie die folgende Formel aus dem Ärmel schüttelten. Winkler: „Wir wollen doch nicht den Bildungsauftrag, den wir in der Gesellschaft übernommen haben, an das Internet abgeben.“ Sich für den Buchhandel entscheiden zu haben, sei  hundertprozentig richtig gewesen. „Einzelhandel wäre mir zu langweilig“, sagen sie unisono. Wäre denn Selbstständigkeit eine Option? Beide: „Aber ja.“

Buchhändler würden keine Einzelhändler werden wollen – und umgekehrt. Tanja Franz etwa: Sie macht eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau bei Eckert und leitet derzeit sogar, für einen Monat, die Filiale in Stuttgart-Feuerbach. Dort kann man Zeitungen und Zigaretten kaufen, seinen Lotto-Schein abgeben oder nach etwas Süßem greifen. „Sicher braucht man Fachwissen, um Bücher zu verkaufen,“ meint sie. Sich allein auf Bücher zu konzentrieren, halt sie jedoch für „undenkbar.“ Für sie wäre das eine zu große Einschränkung.

Doris Müller-Höreth
von der Buchhandlung Pelzner in Nürnberg fühlte sich in der Nachwuchs-Runde sichtlich wohl. „Für uns ist es existenziell, dass wir weiter Buchhändler ausbilden“, mahnte sie. Einen Titel bibliografieren: Das können heute zwar jeder Zehnjährige, aber darauf komme nicht an. „Der Beruf wandelt sich“, ohne das sich an der generellen Rolle des Buchhändlers aber etwas ändere: „in unserer Gesellschaft der Ansprechpartner in Sachen Buch zu sein“.
 
Was zu alldem einer sagt, dessen Ausbildung (im Buchhandel) bereits einige Jahre zurückliegt und der sich nun bewusst dazu entschlossen hat, von der Arbeit im Sortiment die Finger zu lassen? „So schön das Bild ist – der Buchhändler als Ansprechpartner für die Gesellschaft – , bei den Großen gibt es dafür doch gar keinen Bedarf mehr“, sagt Christian Winter, ehemals Mitarbeiter bei Lehmanns und Thalia (und heute Volontär beim Börsenblatt). Vieles von dem, was man drei Jahre lang lernen muss, werde gar nicht gebraucht, ist Winter überzeugt. Und von Idealismus allein lasse es sich nun mal schwer leben...

Die Diskussionsrunde „Azubifreie Zone: Hat es sich ausgebildet?“ wurde moderiert von den Börsenblatt-Redakteuren Sabrina Gab und Stefan Hauck.