Kommentar

Thalia: Höchstens die halbe Wahrheit

21. Oktober 2009
von Börsenblatt
Als kuriose Fußnote wird in den Annalen der Buchmesse ein Text des Jahrgangs 2009 auf­bewahrt bleiben. Gedruckt wurde er auf der einst bedeutenden "Seite Drei" der "SZ". Weil in ihm stand, dass Thalia-Chef Busch eine nichtlesende Mischung­ aus Matthias Sammer und Daniel Craig sei und sein seelen­loser Laden Lieferanten mit brutalen Rabatten kujoniere, wurde der Text zum Thema Nr. 1 der Messe. Ein Kommentar von Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir.

In keinem Gespräch blieb die Frage "Haste schon gelesen?" ungestellt. Und selten fehlte die Freude darüber, dass "endlich wer die Wahrheit aufgeschrieben hat". Es war höchstens die halbe.
Zur Busch-Karikatur nur so viel: Natürlich denkt man auf der Ebene des Topmanagements stärker ans Wirtschaftsgut als an das Kulturgut Buch. Kreativer als die kulturpessimistische Klage darüber wäre die These, dass die vermeintliche Herzenskälte überhaupt erst eine Bedingung der Möglichkeit für den breiten Erfolg guter Bücher erfüllt. Thalia hat – nicht nur zu Hause – das Verkaufen professionalisiert.
Im Gespräch mit seinen Lieferanten weckt der Filialist den Sinn für Äqui­valenzen: Druck auf die Verlage, aber auch Druck auf den verkäuferischen Selbstanspruch. Man verhandelt immer traurigere Preise und verabredet immer erfreu­lichere Gegenleistungen.
Der Ehrgeiz des Geschäfts mag aller­dings den Blick vernebeln für den fairen Deal, der nicht nur das Gleichgewicht von Geben und Nehmen, sondern auch Belastungsgrenzen der Partner beachtet. Deshalb konnten in die Zeitung solche Alarmwörter wie "Erpressung" und gar "Entwürdigung" hineingeraten.
Hier erhebt sich nun Einspruch einer Branche, die stilistisch wie ideell stets mehr war als eine Kaufmanns­gemeinde. Auf diesen Reflex bleibt zum Glück Verlass. Die anderen wären entbehrlich.

 

Hier der Artikel der "Süddeutschen Zeitung".