Interview mit Geschäftsführer Bernd Schröder

Der Club Bertelsmann: "Wir müssen uns öffnen"

22. Oktober 2009
von Börsenblatt
Ein Konzept jagt das nächste: So läuft das beim deutschen Club bereits seit Jahren. Dennoch sanken die Mitgliederzahlen weiter, die Umsätze auch. Bernd Schröder, der neue Mann an der Spitze, wagt jetzt den Paradigmenwechsel. Ein Gespräch übers Sparen und Investieren – und einen Plan mit weitreichenden Folgen. 

Seit knapp acht Wochen lenken Sie die deutschen Clubs. Was antworten Sie jenen, die meinen, in die Club-Idee noch zu investieren, sei zwecklos?
Schröder:
Dass sie zu wenig über uns wissen. Abgesänge auf den Club gibt es schon seit zehn Jahren, und wir sind immer noch da. Immerhin sprechen wir nach wie vor von mehreren Millionen Kunden – man sollte uns also nicht unterschätzen.

In den Augen der Buchkäufer hat der Club aber deutlich an Ansehen verloren...
Schröder:
Für die alte Form der Mitgliedschaft werden wir sicher immer weniger Kunden begeistern können, allein deshalb, weil sich heute keiner mehr gern und lange verpflichtet. Sie können aber sicher sein, dass wir die Umsatzverluste langfristig kompensieren und auch neue Zielgruppen erreichen werden. Wir müssen uns nur weiter öffnen.

In welche Richtung?
Schröder: Einerseits öffnen wir uns im Mediengeschäft, andererseits aber auch mit unserem für andere Unternehmen durchaus wertvollen Know-how im Direktgeschäft. Gerade haben wir, Sie haben ja bereits darüber berichtet, mit Lindt einen Schokoladen-Club für Genießer gegründet. Ich denke, dass der Plan, unsere Direktmarketing- und Vertriebs-Kompetenz auf andere Themen zu übertragen, aufgeht. Was mit Schokolade funktioniert, wird auch mit anderen Produkten funktionieren. Zu Details möchte ich aber noch nichts sagen.

An drei Standorten wollen Sie noch 2009 damit beginnen, Lizenzausgaben auch an Nicht-Mitglieder zu verkaufen – ein Test. Wie laufen die Vorbereitungen?
Schröder: Sehr gut. Mit dem Umbau sind wir fast fertig, spätestens Anfang November gehts los.

Wie werden die Läden aussehen?
Schröder: Völlig anders als Club-Filialen, die ja von der Zielgruppe her sehr breit angelegt sind. Die neuen Läden sind deutlich jünger, weiblicher und familienorientierter – unsere Kernzielgruppe sind Frauen.

Was bieten Sie ihnen an?
Schröder: In zwei Läden konzentrieren wir uns auf Bücher, einmal mischen wir sie mit Zusatzprodukten, DVDs, Musik-CDs, Foto-Services und so weiter. Im Vergleich zu den Club-Filialen tun wir das allerdings in geringerem Umfang. Grundsätzlich gilt: In den Test-Läden kann jeder Artikel von jedem gekauft werden – wenn auch nicht zum gleichen Preis. Mitglieder behalten ihre Vorteile.

Dass Nicht-Mitglieder für einen Club-Titel soviel bezahlen wie für eine Buchhandelsausgabe: Lässt sich das durchsetzen?
Schröder: Warum nicht? Das einzige, was an unseren Büchern anders ist, sind die Schutzumschläge.

Werden Sie beide Ausgaben dann noch getrennt platzieren?
Schröder: Nein, wir setzen auf höchsten Kundennutzen und separieren nicht mehr. Dabei sind wir zu Hundert Prozent offen.

... und läuten damit einen Paradigmenwechsel ein. Vor allem in Augsburg dürfte man das nicht gerne hören. Bleibt der Name erhalten?
Schröder: Nein, aber der bleibt vorerst unser Geheimnis.

Wie lange soll der Test laufen, bis Sie das Konzept auf weitere Filialen ausdehnen?
Schröder: In der Regel muss man einem Laden ein Jahr Zeit geben. Ich glaube aber, dass wir schon Ende des Jahres einige Indikatoren sehen können.

Was sagen Verlage zu Ihrer neuen Strategie?
Schröder: Sie haben positiv reagiert. Der Club ist und bleibt für sie ein wichtiger Vertriebskanal, gerade jetzt, wo der Konzentrationsprozess so deutlich Spuren hinterlässt. Unsere Käufer bedeuten für sie einen sicheren Umsatz. Wir tun etwas für ihre Bücher, geben auch Spitzentiteln neue Impulse. Der Katalog spielt da natürlich eine wichtige Rolle.

Ihr Plan in puncto Digitalisierung?
Schröder: Wir beschäftigen uns damit seit zwei Jahren, ohne auf diesem Feld aber jetzt einen dringenden Handlungsbedarf zu sehen. Für unsere Club-Kunden ist das eher noch kein Thema. Aber wir bereiten uns vor: Bis im Frühjahr 2010 sind wir so weit.

Derzeit wird viel darüber diskutiert, dass der Buchhandel seine Kunden zu wenig kennen würde. Wie sehen Sie das?
Schröder: Für den Club kann ich sagen, dass wir sehr genau wissen, wer unsere Kunden sind, was sie kaufen, welche Interessen sie haben, ob und wie oft sie wiederkommen. Das verschafft uns sicher entscheidende Vorteile.

Bertelsmann fährt im Moment einen harten Sparkurs. Wo musste der Club den Rotstift ansetzen – außer beim Messestand und dem Etat für den traditionellen Messe-Empfang?
Schröder: Wir sparen wo es geht - bei den Reisekosten genauso wie bei den Büromaterialien. 

Und bei den Mitarbeitern?
Schröder: Auch da arbeiten wir schon immer kostenbewusst. Wie viele Mitarbeiter zum Beispiel in einer Filiale anwesend sind, hängt von der Lage und von der Kundenstruktur ab. Grundsätzlich gilt: Jede Stunde, die wir investieren, muss sich auch lohnen. Das ist aber nicht neu.

Wie viele Filialen gibt es, mussten auch Sie einzelne schließen?
Schröder: 275, doch die Zahl schwankt. Standorte, bei denen klar ist, dass sie wirtschaftlich keinen Sinn mehr machen, geben wir auf. Das kommt natürlich vor - zum Beispiel in Siegburg, wo wir im Sommer geschlossen haben. Zugleich öffnen wir auch neue Filialen. Erst am Dienstag vor der Buchmesse habe ich einen Vertrag für eine neue Filiale in Süddeutschland unterschrieben.

 

Der (neue) Club Bertelsmann

Filialen: ca. 275
Mitglieder: ca. 3 Mio.

Mitarbeiter: 1 400

Die Zwei-Säulen-Strategie:
1.
Mediengeschäft mit Mitgliederverpflichtung plus Test eines offenen Sortiments ("Jeder Kunde kann alles kaufen.")

2. Vermarktung des Direktmarketing-Know-hows 
(zum Beispiel Reise oder Projekt mit Lindt, siehe: Archiv)

Das offene Ladenkonzept (im Test ab 11 / 2009)
Fläche: ca. 200 Quadratmeter
Standorte: Aschaffenburg, Berlin (Europa-Center), Hanau
Sortiment: zielgruppenorientierte Auswahl und Best
seller; ca. 8 000 Titel (davon ca. 1 000 Lizenztitel)
Kernzielgruppe: Frauen, Familien