Kommentare

Thalia: Höchtens die halbe Wahrheit

22. Oktober 2009
von Börsenblatt
Gestern wurde der Ruf nach einer Stellungnahme zum Kommentar "Thalia: Höchtens die halbe Wahrheit" laut. Wir haben den Kommentar Nr. 44 hier noch einmal aufgeschrieben.
Verehrte, liebe Diskutanten,

zurück aus einem privaten Offline-Tag, lese ich eben Ihre zahlreichen Beiträge. Überwiegend halten Sie nichts von meinen Ansichten in Sachen SZ-Bericht und Thalia. Damit sollte man als Kommentator leben können.

Einige Teilnehmer dieser Diskussion fordern mich auf, klarer als in meinem ursprünglichen Text zu sagen, was ich eigentlich sagen will. Das hätte ich hier und jetzt gern getan. Nun hat das aber Matthias Ulmer schon vor Stunden (in Kommentar Nr. 17) für mich erledigt - richtig und vollständig. (Vielen Dank, lieber Herr Ulmer, für Ihre Übersetzung!) Es ist mir, zugegeben, etwas peinlich, dass erst ein Verleger eingreifen muss, um klar zu machen, was ein Journalist sagen wollte. Nun ja, geschrieben ist geschrieben. Nächstes Mal wieder deutlicher, versprochen!

In der Sache kann ich Ihnen leider nicht entgegenkommen. Denn ich habe meine Meinung (die Sie nun bei Ulmer zur Kenntnis nehmen können) nicht - wie oben in ein paar besonders wütenden Momenten gemutmaßt wird - geschrieben, um ein großes Verbandsmitglied in Schutz zu nehmen. (Das Börsenblatt verdient übrigens kein Geld mit Thalia, im Gegenteil!) Ich habe sie auch nicht geschrieben, um demnächst bei diesem Verbandsmitglied Pressesprecher zu werden, wie ein Scherzkeks anzuregen beliebt (by the way, die haben eben erst eine ziemlich gute Pressesprecherin eingekauft).

Vielmehr möchte ich Ihnen allen vorschlagen, dass wir über die Mächtigen am Markt nicht in der gehabt ressentimentgeladenen Weise nachdenken, die sich in vielen der oben stehenden Texte abermals zu erkennen gibt.

Mein Plädoyer, seit ich für das Börsenblatt arbeite, nimmt schon langsam die Gestalt einer Endlosschleife an: Leute, lernt von dem, was die hoch professionalisierten Betriebe am Markt gut machen! Das ist für die eigene Sache erheblich vorteilhafter, als zu schimpfen über das, was die Großen schlecht (oder jedenfalls unsympathisch) machen.

Sie alle haben auf Dauer nichts von einem Fachblatt (nicht einmal von einem, das manch einer noch zuerst als Organ des Verbandes sehen möchten), das nur die Erwartungen bedient. Wir könnten es uns beim Börsenblatt durchaus etwas bequemer machen, indem wir Kommentare wie jetzt den meinigen, die absehbar erhebliche Proteste provozieren, unaufgeschrieben ließen. "Si tacuisses", wie mir oben jemand ins Stammbuch schreibt. (Dabei bin ich gar kein Philosoph, kann also auch keiner bleiben wollen.)

Aber das brächte die Branche keine Deut über das Dampfablassen hinaus. Wut mag gesund sein, eine Strategie ist sie nicht. Man fühlt sich nach gehabter Wut für ein paar Stunden besser, aber am nächsten Morgen ist die Erleichterung schon wieder weg, die Probleme hingegen sind geblieben. Wir beim Börsenblatt sind dazu da, uns in der Nähe der Probleme aufzuhalten. An Gesinnungspublizistik mangelt es auch ohne unser Zutun nicht. Die Anregung einiger, aus Anlass der nun stattfindenden Debatte mal wieder und möglichst konkret den Themenkreis Marktmacht, Konditionenschraube etc. zu betreten, will ich gern aufgreifen.

Der Bericht der Süddeutschen Zeitung zeichnet ein Bild vom Thalia-Buchhandel, das jedem, der sich die Bereitschaft hinzuschauen erhalten hat, grotesk unzutreffend erscheinen muss. Ob Busch nun liest oder nicht - so what!? Hauptsache, seine Buchhändler lesen, und ich kenne einige von ihnen, die das mit großer Leidenschaft tun. An der Spitze solch eines großen Handelsunternehmens ist möglicherweise ein zur Illusionslosigkeit begabter Manager, der die Herausforderungen des Handels etwas abstrakter sieht, effektiver als ein Herzblutleser und Kulturüberzeugungstäter. Niemand, der das zu denken sich erdreistet, ignoriert deshalb gleich den wesentlichen Unterschied zwischen Schokoriegeln und Atemschaukeln.

Zurück zum corpus delicti: Viel, viel besser wird die Geschichte des preisgekrönten SZ-Reporters in ihrer zweiten Hälfte, in der es um die Konditionen und, mehr noch, um das Benehmen eines Marktteilnehmers geht, der vor lauter Macht bisweilen den guten Ton vermissen lässt und die Fairness. Auch das steht, wenngleich offenbar zu undeutlich, in meinem Kommentar.

So. Jetzt ist es viel zu lang und viel zu ausführlich um meine Schreiberei gegangen. Um sie geht es aber in Wahrheit nicht. Stattdessen geht es um die Zukunftsfrage, ob unsere Branche dem Filialbuchhandel neben noblen Werthaltungen auch eine Handelsprofessionalität entgegensetzen kann, die dem besorgniserregenden Strukturwandel Einhalt gebietet. Falls nicht, würde übrigens nicht nur, aber auch das Börsenblatt in Schwierigkeiten kommen.

Aber ich würde selbst dann nicht Thalia-Pressesprecher, auch das sei versprochen!