E-Book-Tag an der Bayerischen Staatsbibliothek

"Das Gesamtsystem Buch wird umgestellt"

12. November 2009
von Börsenblatt
Am 6. November fand in der Bayerischen Staatsbibliothek der dritte E-Book-Tag statt. Im Mittelpunkt dieses Mal: die E-Book-Lesegeräte. Rund 90 Bibliothekare aus Bayern und angrenzenden Bundesländern informierten sich über den aktuellen Stand.

Nach der Begrüßung durch Klaus Ceynowa, den Stellvertreter des Generaldirektors der Bayerischen Staatsbibliothek, und einem Überblicksvortrag von Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen stellte Achim Barczok, Redakteur des Computertechnik-Magazins „c’t“, unterschiedliche Bedienkonzepte und Eingabetechniken bei aktuellen E-Book-Lesegeräten vor: etwa die Steuerung über multifunktionale Schaltflächen (wie beim Cybook Opus), über einen Touchscreen (wie beim Sony Touch Edition) oder mit einem Eingabestift (wie beim Hexaglot Wisereader N 518). Neben anderen Aspekten wie Betriebssoftware, Installation und Digital Rights Management ging Barczok auch auf die Darstellung von E-Books ein. Dabei spiele neben der Formatfrage die Textstruktur, die Skalierbarkeit und die Orientierung im Text eine wichtige Rolle. Je nach Ausgangsformat und Lesegerät käme es hier zu großen Unterschieden.

Anne Stirnweis von Amazon und Simon Peter Ziesch (Sony Deutschland) stellten anschließend die Konzepte ihrer Lesegeräte vor (Amazon Kindle und Sony Touch Edition). Stirnweis bestätigte, dass Kindle-E-Books künftig auch am PC und am Mac gelesen werden können. Inzwischen ist die Applikation für den PC erhältlich, die für den Mac folgt in Kürze. Die Amazon-Managerin berichtete unter anderem von einem Testversuch mit dem großen Lesegerät Kindle DX an sechs amerikanischen Universitäten. Dort steht den Studenten der komplette Inhalt des Studienjahrs auf einem Server zur Verfügung und kann auf den Kindle DX heruntergeladen werden. Anmerkungen zu den Inhalten können vom Lesegerät an Blogs weitergegeben werden.

Auch Sony hat einen Flächenversuch mit E-Readern gestartet, wie Simon Peter Ziesch berichtete. Derzeit testen 60 Probanden den Bezug von Tageszeitungen auf dem Reader. Partner sind unter anderen die „Frankfurter Rundschau“ und die „Ruhr-Nachrichten“.

Einen medientheoretischen Blick auf das E-Book warf Ursula Rautenberg, Leiterin der Buchwissenschaft an der Universität Erlangen. Beim Übergang vom gedruckten Buch zum E-Book vollziehe sich die Trennung des Zeichens vom Zeichenträger: Speichermedium und Inhalt fallen auseinander. Noch arbeite das elektronische Buch mit Buchmetaphern, doch in Wahrheit betreffe die gegenwärtige Umstellung das „Gesamtsystem Buch“. Das E-Book (im Sinne des Lesegeräts) sei im Gegensatz zum gedruckten Buch kein Holmedium mehr, sondern ein Bringmedium – ein „Gehäuse“, in das Texte geladen werden. Mit dem elektronischen Buch würden nicht nur die Strukturen der Distribution und Organisation in Frage gestellt, so Rautenberg – auch der Werkbegriff werde sich ändern. Schriftbasierte Textdokumente würden künftig so mit multimedialen Elementen angereichert, dass die ursprüngliche Vorstellung vom Buch untergehen könnte.
Ursache für diesen Wandel ist auch die Mediensozialisation der Digital Natives, wie Kerstin Emrich (ebenfalls Buchwissenschaft Erlangen) in ihrem Beitrag erläuterte.

Ob E-Book-Reader auch in Bibliotheken sinnvoll eingesetzt werden könnten, beschäftigte Peter Wawra von der Universitätsbibliothek Passau in seinem Vortrag. Wawra verwies auf eine E-Book-Umfrage, die an den bayerischen Hochschulbibliotheken und der Bayerischen Staatsbibliothek durchgeführt wurde (http://epub.ub.uni-muenchen.de/10942/1/Auswertung_E-Book-Umfrage_LMU.pdf).

Aus Verlagssicht trug Frank Sambeth, Chief Operating Officer bei Random House, Wesentliches zum Thema bei. Bis E-Book-Reader den Mainstream-Markt erreicht hätten, müsse man noch zwei bis fünf Jahre warten. Bis dahin würden sich Geräte, Formate und Inhalte noch erheblich verändern. So werde derzeit an E-Paper-Geräten im Handyformat gearbeitet. Gleichzeitig würden neue E-Book-Konzepte verfolgt wie etwa premium ebooks, die Random House unter der Marke Book and Beyond vertreibt. Sie enthalten neben dem Buch, das auf dem E-Reader gelesen wird, zusätzliche interaktive Elemente wie Games oder einen Quiz sowie Videos, die allerdings nicht auf den Lesegeräten abgespielt werden können.

Werner-Christian Guggemos, Chef der Handelsplattform Ciando, schloss die Tagung mit einem Überblick über das Portfolio seines Unternehmens und die künftige Entwicklung des E-Books ab. Neben den bekannten Vertriebskanälen Online-Buchhandel und Verlagswebsites wachse die Rolle der Aggregatoren und Portale. Plattformen wie gleich-lesen.de, txtr.com, terrashop.de und vodafone.com würden im E-Book-Geschäft ab 2010 eine gewichtigere Rolle spielen.