Jugendmarktkonferenz der Akademie des Deutschen Buchhandels

"Jetzt gehen Sie mal in diese sozialen Netzwerke und machen was draus!“

26. November 2009
von Börsenblatt
Die Internetnutzungsdauer der 14- und 15-Jährigen Jugendlichen nimmt zurzeit besonders stark zu: 84 Prozent der User in dieser Altersgruppe verbringen deutlich mehr als eine Stunde täglich im Netz, wobei die Entwicklung weg vom Download und hin zum Stream führt, erläuterte Axel Dammler, Geschäftsführer von iconkids & youth international research, auf der neunten Kinder- und Jugendmarktkonferenz der Akademie des Deutschen Buchhandels in München. Das hänge auch mit dem steigenden Bewusstsein für Online-Piraterie bei Jugendlichen zusammen.

Beim Streaming herrsche (noch) eine rechtliche Grauzone – es gelte in den Augen der Nutzer als legal, so Dammler. Immer beliebter werde in diesem Zusammenhang die Best-of-Nutzung, bei der man sich gezielt die besten Sequenzen, beispielsweise verpasster TV-Sendungen, u.a. auf Youtube anschaut. Die Nutzungsarten von Sechs- bis 19-Jährigen werden allerdings von „Fragen rund um Schule und Beruf“ (82 Prozent), „E-Mail schreiben“ (79 Prozent) und erst an dritter Stelle „Filme und Videos schauen“ (78 Prozent) angeführt. Beschränkt man sich auf Teenager, so ist laut Dammler ist der Aufenthalt in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Schüler- und Studi-VZ die wichtigste Nutzungsart.

„Medien-Mono-Kultur“ hieß ein weiteres Schlagwort der Konferenz, die unter dem Motto "Digital Generations – Junge Zielgruppen mit Neuen Medien erreichen" stand. Es meint die sich verstärkende Konzentration auf ein Gerät (zurzeit den Computer), das möglichst viele Fähigkeiten in sich vereinen soll. Diese Entwicklung, so wurde in der Akademieveranstaltung deutlich, erschöpft sich nicht in stetig zunehmenden Nennungen von Weblinks auf Umschlägen, sondern wirkt sich in vielfältiger Weise auf Bücher aus. Flatrates und schnellere Übertragungsgeschwindigkeiten erhöhen die Attraktivität digitaler Welten.

Auch verschmilzt der Nachwuchs mit Leichtigkeit reale und virtuelle Welten. Diese Fähigkeit zeitigt Folgen: Als wichtiger Teil der heutigen Jugendkultur werden Online-Communities und beliebte Webseiten als attraktives Werbeumfeld, als zu beobachtende Trendsetter oder als potenzielle Partner für gemeinsame Projekte entdeckt. Kooperationen können kostengünstig und effizient sein. Eine typische Win-Win-Situation ist bei der Zusammenarbeit von Langenscheidt mit der Jugendzeitschrift Spiesser entstanden, die zur Initiative www.jugendwort.de führte. Langenscheidt Pressesprecher Bernhard Kellner hielt diese Initiative für eine ideale Ergänzung von Print- und Online-Welt: Markenverjüngung, Imagetransfer bis hin zur zählbaren Steigerung des Buchabsatzes wird mit neuen und umfassenden Kommunikationsformen verbunden. Wenn die Verlagsleitung sage: „Jetzt gehen Sie mal in diese sozialen Netzwerke und machen Sie etwas daraus!“, dann hänge das weniger mit großen Budgets, sondern mehr mit Know-how und Ausdauer zusammen.

Das Verhalten der Digital Natives wird trotz steigender Nutzungszahlen und -dauer auch kritisch betrachtet. Axel Dammler warnte vor Internet-Euphorikern: „Jugendliche werden durch den Siegeszug des Internets immer uninformierter.“ Es gäbe zwar ein großes Angebot an zuverlässigem Wissen, doch dem weiche die Jugend aus. Und das werde ihr durch das enorme Angebot an Unterhaltung leichter gemacht als Wissenserwerb. Die Antwort könnten intelligente Angebote im Netzt sein, meinte Ricarda Fuchs, Leiterin der Online-Redaktion KI.KA, und stellte die mehrfach preisgekrönte Webseite kika.de vor, die für Kinder von drei bis 13 Jahre konzipiert ist und künftig in zwei Web-Auftritten für verschiedene Altersgruppen geteilt werden soll.

Der Umgang mit Internetplattformen als Mittel zur Umsatzsteigerung hingegen steckt noch in den Kinderschuhen. Der eigene Webauftritt als Geschäftsmodell wirft selten zufrieden stellende Erträge ab. Das gilt meist auch für das Ausland, obschon dort ein innovativer Umgang mit neuen Medien und Jugendbüchern zu beobachten ist. Die Autorin und Verlagsberaterin Louise Carleton-Gertsch präsentierte in der Konferenz der Akademie neue englischsprachige Webseiten, auf denen mit  Produktmischungen und Geschäftsmodellen experimentiert wird.
Bei der abschließenden Podiumsdiskussion zeigte sich, dass auch hierzulande intensiv über Schnittmengen zwischen Buchverlagen und digitalen Welten nachgedacht wird. Obwohl die für 2010 zu erwartende Verdoppelung des E-Book-Marktes aufgrund fehlender geeigneter Endgeräte weitgehend ohne die Kinder- und Jugendbücher stattfinden wird, ist bald mit einer Zunahme auch in diesem Bereich zu rechnen.