Analyse

Die neue Dimension des E-Books

29. Januar 2010
von Börsenblatt
Als Steve Jobs am Mittwoch das neue Multimedia-Wunder iPad präsentierte, war dies ein geradezu epiphanischer Moment. Mit dem iPad erblickt ein neuer Gerätetyp das Licht der digitalen Welt, der sich nicht nur als "digital companion" für alle Lebenslagen anbietet, sondern auch der Entwicklung des E-Book-Markts einen ganz neuen Schub bringen könnte. Eine Analyse von Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.

Das iPad ist zunächst ein konzeptionell und ästhetisch überzeugendes "All-in-One"-Gerät zwischen iPhone und Notebook: Surfen, Mails schreiben, digitale Fotoalben verwalten, Games spielen, Videos und YouTube anschauen, iTunes und AppStore, iPod-Funktion, Karten, Notizen machen, Termine und Kontakte organisieren, Suchfunktion – und schließlich die neue iBooks-Applikation, mit der man E-Books kaufen, in sein virtuelles Regal stellen und lesen kann.

Das Lesen auf dem iPad hat eine ganz andere, neue Qualität: Das Gerät ist etwas größer als ein herkömmliches Hardcover (es entspricht einem größeren Oktav-Format), die auf dem Display dargestellten Seiten entsprechen in der Größe etwa dem Seitenformat eines gedruckten Buchs. Die Darstellung auf dem hintergrundbeleuchteten LED-Bildschirm ist brillant wie auf dem iPhone. Die emotionale Ansprache und die haptischen Details, über die die iBook-App verfügt, sprechen die Sinne der Leser – und unter ihnen viele "digitale Immigranten" aus der Buchwelt - an.

Das virtuelle Regal "sieht aus" wie ein echtes, etwas altmodisches Bücherregal. Und die Seiten werden nicht sukzessive auf Knopfdruck dargestellt, sondern virtuell geblättert. Für Verlage könnte dies eine echte Chance sein, ihre Bücher besser und effektiver zu vermarkten, als dies bisher bei den E-Book-Readern (vor allem den E-Ink-Modellen) möglich war.

Zudem vereinfacht die Shop-Lösung des iBook Store den Download der Bücher, die über die drahtlose Schnittstelle (Wi-Fi oder 3 G) erfolgt. Offen ist noch, wie das Digital Rights Management funktioniert: ob man beispielsweise einen Titel auf das iPad und das iPhone herunterladen kann, und ob eine Übertragung eines einmal gekauften Titels auf ein anderes Gerät möglich ist. Für ein offenes Datei-Konzept spricht das gewählte Format: EPUB, das den Text je nach Gerät an das vorhandene Display anpasst. Damit sind prinzipiell auch für andere Geräte und in anderen Shops (beispielsweise libreka!) erworbene EPUB-Titel auf dem iPad lesbar.

Was noch für das iPad als Lesegerät spricht: seine Multimediatauglichkeit, seine Farbigkeit und seine Geschwindigkeit. Sie eröffnet E-Book- und E-Journal-Entwicklern, die das elektronische Buch mit Podcasts, Animationen oder Videos erweitern wollen, neue Möglichkeiten. E-Book-Konzepte wie die multimedialen Vooks könnten dadurch Auftrieb erhalten.

Natürlich sollte man sich davor hüten, das iPad zu einem Zaubergerät zu verklären. Im Detail, das werden Tests erweisen, gibt es mit großer Wahrscheinlichkeit Schwächen. So kursiert in der Netzgemeinde schon das Gerücht, das iPad könne flash-codierte Webseiten nicht darstellen. Auch wäre es verfrüht zu behaupten, das iPad wäre der "Kindle-Killer". E-Ink-Reader als Stand-alone-Lösung für das elektronische Lesen werden ihre Existenzberechtigung behalten. Wer wirklich nur elektronische Bücher auf einem Reader lesen möchte, muss für ein Lesegerät nur noch rund 200 Euro ausgeben, Tendenz weiter fallend. Das iPad hingegen kostet in seiner Basisversion schon umgerechnet 350 Euro. Zudem sind E-Ink-Displays flimmerfrei, das Auge ermüdet auch nach mehreren Stunden Lektüre nicht. Und der Energieverbrauch ist äußerst gering, die Betriebsdauer daher wesentlich höher als beim iPad. Dort reicht die Akku-Leistung für 10 Stunden Dauerbetrieb.

Interessant ist die Frage, welche Titel und zu welchen Konditionen (auch deutsche) Verlage E-Books – oder heißt es bald iBooks? – für das iPad liefern. Dazu mehr im nächsten Börsenblatt am 4. Februar.