Statement von Christian Sprang zum veränderten Google Book Settlement

"Man darf mit Spannung abwarten, wie sich das Settlement weiter entwickelt"

11. Februar 2010
von Börsenblatt
Das veränderte Google Book Settlement (Amended Settlement Agreement) wird am 18. Februar vor dem Southern District Court in New York verhandelt. Nach dem neuerlichen Einspruch des US-Justizministeriums ist offen, ob über den Vergleichsentwurf entschieden oder eine dritte Fassung erarbeitet wird. Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang nimmt zu den Aussichten des Verfahrens Stellung.

Die Einschätzung des Ministeriums fällt erneut sehr kritisch aus. Das DOJ erkennt zwar an, dass die Parteien sich bemüht haben, einige Bedenken der Behörde gegen den ursprünglichen Settlement-Entwurf auszuräumen. Insgesamt kommt das DOJ aber zu dem Ergebnis, dass diese Bemühungen nicht ausgereicht haben.

  • Ein Hauptproblem sieht das DOJ darin, dass auch das ASA inhaltlich weit über das hinausgeht, was ursprünglich Gegenstand der Klage von Autoren und Verlagen gegen Google war. Es legt ausführlich dar, weshalb das Instrument der „class action“ im vorliegenden Fall missbraucht wird, um gesetzliche Regelungen faktisch außer Kraft zu setzen, ohne die Legislative einzubeziehen.
  • Es kommt zu dem Ergebnis, dass aus diesem Grund das Gericht letztlich nicht die Kompetenz hat, dem ASA seinen Segen zu geben.
  • Weiterhin verweist das DOJ ausführlich auf unterschiedliche kartellrechtliche Bedenken, die nicht ausgeräumt wurden. Was ausländische Rechteinhaber angeht, bemängelt das DOJ ausdrücklich, dass deren Vertreter nicht an den Verhandlungstisch geholt wurden.
  • Es betont auch die Notwendigkeit effektiver Information über das ASA insbesondere für ausländische Rechteinhaber.
Bei diesen letzten beiden Punkten bezieht es sich ausdrücklich auf die Eingabe des Börsenvereins und der VG Wort zum ASA. Deren Hauptkritikpunkte hatte sich auch die Deutsche Bundesregierung in ihrer Eingabe zum ASA zu Eigen gemacht.

 
Das DOJ macht für die eventuellen weiteren zukünftigen Verhandlungen einige Vorschläge.

  • Der wichtigste Vorschlag ist, dass das ASA von einem „opt-out“-Modell zu einem „opt-in“-Modell umstrukturiert werden müsste.
  • Zudem schlägt es vor, den Anwendungsbereich auf Werke zu beschränken, die tatsächlich nach dem Gesetz „United States Works“ sind, die also in den USA veröffentlicht wurden oder zumindest unter Mitwirkung ausschließlich US-amerikanischer Urheber entstanden sind.

Mit dieser Forderung war der Börsenverein bei den Vergleichsparteien (Google, American Association of Publishers, Authors’ Guild) nicht durchgedrungen, als er kurz vor Einreichung des ASA bei Gericht vorab über dessen Inhalt informiert worden war. Daraufhin hatte der Vorstand des Verleger-Ausschusses entschieden, auch zur überarbeiteten Fassung des Google Book Settlement dem Gericht Einwände vorzutragen. Seinem Schriftsatz, für den sich der Hanser-Verlag dankenswerter Weise als direkt betroffener Verlag zur Verfügung gestellt hat, hatten sich auch die Kollegenverbände aus Italien, Österreich und der Schweiz sowie der neuseeländische Schriftstellerverband angeschlossen.
 
Mit Spannung darf man nunmehr abwarten, wie sich das Schicksal des Google Book Settlement weiter entwickelt. Die Vergleichsparteien haben die Option, einen erneuten Rückzieher zu machen und zum wiederholten Male über den Inhalt des Settlement neu zu verhandeln, wobei immer weniger Spielraum für die Umsetzung ihrer ursprünglichen Vorstellungen besteht, nachdem das DOJ erneut Essentialia des Vergleichs in Frage gestellt hat. Eine andere Möglichkeit wäre, es nun einfach auf eine Entscheidung des Gerichts ankommen zu lassen, wobei das Risiko einer Verweigerung der gerichtlichen Zustimmung zum Vergleich nach der erneuten Stellungnahme des DOJ als sehr hoch einzustufen ist.

Eine solche gerichtliche Absage würde die American Association of Publishers und die Authors’ Guild vor das Problem stellen, wie sie einen Rückfall des Gerichtsverfahrens in das ursprüngliche Klagestadium finanziell verkraften können, wenn die vorgesehene Übernahme ihrer Anwalts- und Gerichtskosten durch Google entfällt. Google wiederum bliebe zumindest vorerst auf 12 Millionen Scanns urheberrechtlich geschützter Bücher sitzen, die man allenfalls noch für die Anzeige von sog. snippets – und auch dies aus urheberrechtlichen Gründen nicht weltweit – nutzen kann. Entsprechend überrascht es nicht, dass Google inzwischen auch in Europa vermehrt Aktivitäten entfaltet, um auf Seiten der Rechteinhaber Partner für sein Buchsucheprogramm zu gewinnen.
 
Schon jetzt kann man die aktuellen Entwicklungen in Sachen Google Book Settlement als klare Bestätigung des im Frühsommer letzten Jahres gefassten Beschluss der Fachgruppe Verlage im Börsenverein werten, der „Erst nutzen, dann fragen“-Politik von Google eine Absage zu erteilen. Dass das Google Book Settlement, das nach dreijähriger Verhandlungszeit der Parteien im Herbst 2008 als „done deal“ veröffentlicht wurde, noch so sehr ins Wanken geraten ist, bestätigt den Kurs des Börsenvereins, energisch für den Bestand der Grundprinzipien des Urheberrechts einzutreten.