Ratgeber Studie

11. März 2010
von Börsenblatt
Marktforscher bescheinigen dem Ratgeber Probleme – der Handel dagegen ist ganz zufrieden. Mittendrin: die Verlage, auf der Suche nach neuen Strategien.
Ratgeberverlage haben kräftig Gegenwind. Einen Schritt vor, zwei zurück. Ist das der Rhythmus dieser Tage?
Laut Branchen-Monitor Buch, ermittelt von GfK Media Control International, bleibt die Lage auch 2010 ernüchternd. Die Barumsätze mit Ratgebern sind im Januar in den Vertriebswegen Sortiment, Warenhäuser, E-Commerce um 2,6 Prozent gesunken (Vorjahr: minus 2,6 Prozent); im Februar zogen die Einnahmen zwar wieder um 0,9 Prozent an – allerdings war die Ausgangsbasis niedrig (Vorjahr: minus 7,8 Prozent). Der Ratgebermarkt verharrt im Minus, sagen die Marktforscher. Was sich aus ihren Daten ablesen lässt:

  • Die Abwärtsspirale dreht sich immer schneller; im Jahr 2007 gaben die Umsätze um 0,6 Prozent nach, 2008 waren es bereits 2,9 Prozent, 2009 gar 3,4 Prozent (siehe Grafik). Und: Angesichts der Sogwirkung, die das Internet entfaltet, sind diese Zahlen immer noch moderat.
  • Ratgeber verlieren in den angestammten Vertriebswegen (Sortiment, Warenhäuser, E-Commerce) weiter an Boden; 2009 verringerte sich ihr Umsatzanteil am Gesamtmarkt auf 14,1 Prozent (2008: 15,05 Prozent).
  • Besonders stark rückläufig sind dem Branchen-Monitor Buch zufolge die Bareinnahmen mit Ratgebern im Sortiment. Allein im Februar fuhren die stationären Buchhändler ein Minus von 3,5 Prozent ein (Vorjahr: minus 13,7 Prozent). Erstens strafft das Sortiment sein Angebot, wie bei vielen Warengruppen – und zweitens zieht es mehr und mehr Menschen zum Einkaufen ins Internet.

Wer Buchhändler zur Marktentwicklung befragt, ausgewählt nach dem Zufallsprinzip, kommt jedoch ins Grübeln. Denn diese Sortimenter verbreiten alles andere als Trauerstimmung, keiner sieht den Markt der nützlichen Bücher komplett auf Schrumpfkurs. Vielmehr nutzt der Handel die Chancen da, wo sie sich bieten ( Börsenblatt-Umfrage unter boersenblatt.net/ratgeber).

Warengruppe Essen und Trinken im Plus

Dass nicht überall gleichermaßen Land unter herrscht, zeigt auch ein Blick auf die Bewegungen der einzelnen Segmente. Deutlich im Minus lagen 2009 die Bereiche Recht, Beruf, Finanzen (minus 7,3 Prozent; Vorjahr: minus 16 Prozent), Lebenshilfe, Alltag (minus 12,3 Prozent; Vorjahr: plus 5,9 Prozent) und, vor allem, Spiritualität (minus 10,5 Prozent; Vorjahr: minus 17,7 Prozent). Stiller Gewinner des Jahres waren Ratgeber aus dem Themenkreis Hobby, Haus (plus 3,0 Prozent; Vorjahr: plus 4,6 Prozent). Aufwärts ging es, wie berichtet, zudem für das Segment Essen & Trinken (plus 2,8 Prozent; Vorjahr: minus 5,7 Prozent).

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache – und lassen doch viele Fragen offen. Buchhändler mögen es derzeit noch kaum spüren, aber Verlage haben sich längst darauf eingestellt: Die Informationsmaschine Internet zieht Käufer ab und macht Themen obsolet, mit denen sich bis dato in gedruckter Form gutes Geld verdienen ließ.

Umdenken ist notwendig

"Ratgeberverlage sind mit banalen Informationen wie Pfannkuchenrezepten groß geworden", sagt zum Beispiel Verleger Matthias Ulmer (Ulmer Verlag). Einige Verlage würden bis heute die Meinung vertreten, nichts sei besser als ein Buch, so Ulmer – und schüttelt den Kopf: "Sie werden den Wandel kaum überleben." Ulmer sagt das aus vergleichsweise sicherer Entfernung: Die Segmente, in denen er unterwegs ist – Hobby, Natur, Garten –, trifft die allgemeine Baisse bisher nur ansatzweise. Ähnlich geht es Wettbewerber Kosmos: Der Umsatz des Verlags habe 2009 "etwa acht Prozent über dem Vorjahr" gelegen, erklärt Geschäftsführer Axel Meffert. Jetzt will er das Geld reinvestieren – ins eigene Programm. "Wir steigen in ein neues Ratgeberfeld ein", kündigt er an. "Es gibt Bereiche, die deutlich wackliger sind als Ratgeber – etwa Spiele."

Insider halten Ulmer und Kosmos (und einige andere) eher für Ausnahmen. Bei vielen habe es starke Umsatzeinbrüche gegeben, heißt es; nun sei eiligst Schadensbegrenzung angesagt. Manche rücken auch BLV in diese Ecke. Gerüchten zufolge soll der Hauptgesellschafter, der Bayerische Landwirtschaftsverlag, schon über einen Ausstieg nachdenken. Rainer Tretter, der neue Mann an der Spitze des Verlags, winkt ab: "Unser Gesellschafter steht voll und ganz hinter uns", betont er. "Verkauft wird der Verlag definitiv nicht, auch nicht in Teilen – wir sind lediglich in einer Umbruchphase."

Das Bild vom Umbruch ist treffend. Nahezu alle Verlage versuchen derzeit, den durch veränderte Kauf- und Mediengewohnheiten ausgelösten Wandel in den Griff zu bekommen.
Fünf Trends:

  • Gedruckte Ratgeber werden optisch aufgewertet – etwa durch ein besser strukturiertes, moderneres Layout der Innenseiten (Beispiel: Ulmer) oder Cover (Beispiel: die Schlütersche mit der Reihe Humboldt).
  • Weil Verlage den größten Vorteil gegenüber dem Netz in der Qualität ihrer Inhalte sehen, investieren sie in neue, gern prominente Autoren.
  • Die Angst vor der Online-Konkurrenz ist nüchternem Pragmatismus gewichen. Verlage suchen Gelegenheiten, um mit Werbung Geld zu verdienen, nutzen Google Adwords und gehen mit Kollegen im Internet auf Tuchfühlung. Zur Jahrestagung der Ratgeberverlage Ende März kommt Markus Wölflick, Chef der unter dem Holtzbrinck-Dach entstandenen Plattform gutefrage.net.
  • Nahezu jeder Verlag setzt mittlerweile auf strategisches Markenmanagement, nach dem Vorbild von Gräfe und Unzer. 2009 hat der Verlag noch einmal nachgelegt. Fazit von Noch-GU-Chef Georg Kessler: "Die Kommunikation und Markeninszenierung über die Key Visuals hat zwar anfangs etwas polarisiert, sich aber breit durchgesetzt" (Interview unter boersenblatt.net/ratgeber).
  • Im digitalen Geschäft dabei zu sein betrachten viele als Pflicht – auch wenn die Erlöse mit Apps und E-Books noch marginal sind. Von Apples iPad erhoffen sich die Verlage neue Impulse. "Das Produkt passt zum Ratgeber", sagt Matthias Ulmer: "Wirklich interessant wird es aber erst, wenn Internet und Fernsehen verschmelzen und intelligente Häuser in Reihe gebaut werden." Seine Vision: Digitale Ratgeber, die jederzeit und überall verfügbar sind. Spätestens dann, meint er, lasse sich der Rhythmus – eins vor, zwei zurück – wieder umkehren.

Ratgebermarkt 2009 / 2010

Umsatzentwicklung
laut Branchen-Monitor Buch / Media Control GfK International:

  • 2009 minus 3,4 Prozent (Vorjahr: minus 2,9 Prozent)

Umsatzanteil am Gesamtmarkt
laut Branchen-Monitor Buch / Media Control GfK International: 14,1 Prozent (Vorjahr: 15,05 Prozent)

Anzahl lieferbarer Ratgeber
laut VLB, im März 2010: 79 456 (plus 2,4 Prozent; März 2009: 77 865)

Gründe für den Ratgeberkauf
laut GfK Panel Services, Januar bis September 2009:

  • Das Thema interessiert mich / Ich mag das Genre: 35 Prozent
  • Der Titel hat mich spontan angesprochen: 22 Prozent (am stärksten bei Essen & Trinken, 42 Prozent)
  • Das Buch ist ein Geschenk: 15 Prozent
  • Entscheidend war der Preis: 8 Prozent