Interview mit dem PUMA-Vorstandsvorsitzenden Jochen Zeitz

"Den Umweltschutz zwingend in ökonomische Entscheidungen einbeziehen"

1. April 2010
von Börsenblatt
Nachhaltig zu wirtschaften ist heute eine absolute Notwendigkeit, sagt der Vorstandsvorsitzende des Sport- und Lifestyle-Unternehmens PUMA. Gerade schreibt er mit Pater Anselm Grün über dieses Thema ein Buch: "Für eine bessere Welt", das im Sommer im Vier-Türme Verlag erscheint. Das Börsenblatt sprach mit Zeitz über Umwelt, soziale Verantwortung und Werte in Unternehmen.

Viele Firmen stellen in Krisenzeiten das Thema Nachhaltigkeit völlig hinten an. Wie schaffen Sie es, die Priorität beizubehalten?
Jochen Zeitz:
Nachhaltig zu wirtschaften darf heute keine Option mehr sein. Es ist eine absolute Notwendigkeit und fester Bestandteil unserer Markenphilosophie. Glaubwürdigkeit spielt dabei eine wichtige Rolle, und das gilt in jeder Situation und Wirtschaftslage: Das, was ich von anderen fordere, muss ich auch vorleben, ich muss es selbst organisieren und dazu eigene kreative Ideen in meinem Unternehmen fördern. Und auch unsere Zulieferer müssen unsere Umwelt- und Sozialstandards erfüllen. Mitte April wird Puma im Londoner Design Museum dafür sein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept vorstellen, in dem wir uns klare Ziele für das kommende Jahrzehnt setzen.

Wie sieht das konkret im Puma-Alltag aus?
Jochen Zeitz: Wir machen uns Gedanken über den Lebenszyklus unserer Produkte, von den Rohmaterialien, der Produktion über die Verpackung und den Transport bis hin zur Recycelbarkeit bzw. den Abfall, den unsere Produkte generieren. Wir wollen uns in allen Bereichen unserer Wertschöpfungskette verbessern. Nehmen Sie zum Beispiel die Verpackung: Dafür benötigen wir pro Jahr 15 Millionen Kartons und Millionen von Plastiktaschen, und nun arbeiten wir an einer Reduzierung dieser Menge. Unsere Handy-Verpackungen haben wir bereits um 50 Prozent reduziert, aber da geht sicher noch mehr. Wir müssen als Unternehmen beim Umweltschutz effizienter werden.

Ständiges Wachstum wird häufig immer noch als Allheilmittel der Wirtschaft gesehen. Wie stehen Sie diesem Credo gegenüber?
Jochen Zeitz: Das ist völlig unrealistisch, und die durch die Finanzmarktkrise mit verursachten Zusammenbrüche beweisen das auch ganz deutlich. Unsere natürlichen Ressourcen sind begrenzt, daher besteht die einzige Chance darin, nachhaltig zu wachsen und den natürlichen Ressourcenabbau zu stoppen bzw. auf erneurbare Energien umzustellen. Wir müssen den Kreislauf der Natur, den wir unterbrochen haben, Schritt für Schritt wieder schließen.
Viele Urvölker haben es uns vorgemacht: Für sie war Nachhaltigkeit keine Alternative, sondern einfach die Art, wie die Natur funktioniert. Denn die gesamte Natur ist auf Ewigkeit ausgelegt. Was stirbt, kehrt zur Erde zurück und wird Teil der zukünftigen Wertschöpfung. Nach der industriellen Revolution, die den ungehemmten Ressourcenabbau propagiert hat, müssen wir jetzt eine neue Revolution der Nachhaltigkeit in Gang bringen, die uns ein wiederholbares Wachstum ermöglicht.

Zu den Ressourcen gehört auch die menschliche Arbeitskraft. Wie hängen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung zusammen?
Jochen Zeitz:
Sehr eng. Die Atmosphäre und die Kultur in einem Unternehmen sind entscheidende Faktoren. Das ist in Asien sicher anders als hier, aber als Unternehmen arbeiten wir seit zehn Jahren weltweit daran, die Arbeitsbedingungen unserer 150.000 Mitarbeiter in den Fabriken zu verbessern, und da ist der Lohn nur ein Schritt von vielen, die wir machen. Wir führen gezielt Schulungen auch zur Arbeitsatmosphäre in den Betrieben durch – unser Maßstab sind dabei die vier Schlüsselwerte fair, ehrlich, positiv und kreativ. Sie sind der Kompass, der dafür sorgt, dass wir bei sozialer, umweltbezogener und kommerzieller Nachhaltigkeit auf Kurs bleiben und verantwortlich nach innen und nach außen agieren.  

Ein Beispiel?
Jochen Zeitz: Positiv bedeutet konstruktiv zu sein: Wir bauen Werte und Menschen auf und machen sie nicht nieder. Wir schlagen Lösungen vor, statt nur Kritik zu üben, arbeiten auf gemeinsame Ziele hin, anstatt uns zu beschweren. Wir unterstützen andere beim Beschreiten neuer Wege, ermutigen sie im Fall eines Scheiterns und feiern mit ihnen, wenn sie Erfolg gehabt haben. Wertschöpfung durch Wertschätzung ist die Maxime.

Sie plädieren in Ihrem Buch für verankerte Rhythmen von Anstrengung und Feiern, Arbeit und Ruhe, Aktion und Nachdenken.
Jochen Zeitz: Entspannung und die angemessene Freude über die Früchte unserer Arbeit kommen oft zu kurz. Auf der einen Seite ermöglichen es uns moderne Technologien, schneller und leichter zu arbeiten. Die Arbeit eines Tellerwäschers erledigt heute eine Geschirrspülmaschine. Auf der anderen Seite versucht man die Effizienz eines Menschen ständig zu erhöhen, Manager legen Nachtschichten ein und bezahlen ihre Mitarbeiter regelmäßig für Überstunden an Wochenenden und Feiertagen, um die Produktivität vermeintlich zu steigern. Solche Verhaltensmuster verursachen aber hohe menschliche Kosten. Deshalb brauchen wir ein besseres natürliches Gleichgewicht.

Wie haben Sie die Werte in Ihren Unternehmen durchgesetzt?
Jochen Zeitz:
Entscheidend ist: Man muss Werte vorleben. Die Art, wie sich Vorgesetzte geben, hat entsprechenden Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter. Aber manches braucht auch seine Zeit, und vieles ist im ständigen Fluss. Die Umsetzung unserer Vision für eine bessere Welt, unsere PUMAVision, drückt sich in der Praxis in den drei Programmen puma.safe mit dem Schwerpunkt Umwelt und Soziales, puma.peace mit unserem Einsatz für Frieden auf der ganzen Welt und puma.creative mit der Unterstützung von Künstlern und kreativen Organisationen aus. Für uns ist PUMAVision kein Sprint, sondern ein Marathon.

Was kann der Einzelne tun, um nachhaltig zu agieren?
Jochen Zeitz: Aus Unternehmenssicht ist es wichtig, nicht nur dem CSR-Gedanken, also der unternehmerischen sozialen Verantwortung, konsequent zu folgen, sondern auch den Umweltschutz zwingend in unsere ökonomischen Entscheidungen einzubeziehen. Aber grundsätzlich sollte sich jeder Einzelne zunächst einmal informieren: In welcher Form kann ich einen positiven Beitrag für eine bessere Welt leisten? Ich muss mir bewusst werden: Wie wohne ich? Womit kleide ich mich? Wie nutze ich Energie? Dann gilt es abzuwägen. Letztlich ist es ein ständiger Prozess, der den Mut erfordert, Altes in Frage zu stellen und neue Wege zu beschreiten.

 

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie im aktuellen Börsenblatt-Extra "Nachhaltigkeit".