„Das lässt sich nicht wie ein Auto verkaufen“

13. April 2010
von Börsenblatt
Dietrich Kreh hat sich auf mittelalterliche Faksimiles spezialisiert. Ein Besuch in seiner Winnender Buchhandlung. Mehr zum Thema Mittelalter lesen Sie im soeben erschienenen Spezial Fachmedien des Börsenblatts.

Mittelalterliche Handschriften? Bibeln, Gebets- und Stundenbücher? Noch vor ein paar Jahren hätte Dietrich Kreh mit den Schultern gezuckt – kein Interesse. Als er aber den Tresor im elterlichen Wohnhaus öffnete, staunte er nicht schlecht. Der verstorbene Vater hatte dort das Faksimile einer mittelalterlichen Handschrift deponiert. Faksimiles sind nicht so wertvoll wie Originale, aber ebenfalls Sammlerstücke, die in Handarbeit und kleiner Auflage hergestellt werden. Der Vater muss, ohne dass die Familie etwas davon wusste, ein Liebhaber solcher Stücke gewesen sein – und seitdem Dietrich Kreh eine Mittelaltertagung besucht hat, ist er es auch.

Mit Papier hat sich die Familie Kreh schon immer beschäftigt. Der Vater besaß den Zeitungsverlag Winnenden und gab die Winnender Zeitung heraus. Da lag es nahe, dass der Sohn Schriftsetzer lernt – ein Beruf, den die moderne Drucktechnik überflüssig gemacht hat. Kreh ist heute noch Gesellschafter im Familienbetrieb, die Druckmaschinen aber hat er längst verkauft und die Räume vermietet. Plötzlich war das Faksimile nicht nur ein Fundstück, das ihm „sehr gefallen“ hat, sondern wurde der Grundstein einer neuen Existenz: Seit vergangenem Jahr betreibt der 51-jährige Kreh eine Buchhandlung für mittelalterliche Faksimile.

Rosenroman für knapp 3.000 Euro 

Wie ein Museum wirkt der kleine Laden im ersten Stock in der Winnender Innenstadt. In Vitrinen liegen die Schätze, die Dietrich Kreh gesammelt hat – und jetzt weiterverkaufen will. Der Rosenroman, um 1519 erschienen, war eines der meistgelesenen Bücher profaner Dichtung - und ist jetzt für 2.980 Euro zu haben. Kreh hat Faksimiles vom 6. bis zum 17. Jahrhundert im Angebot. Gelesen werden diese Bücher meist nicht, Kreh blättert aber gern darin und schaut die Malereien an. „Man macht Faksimile, um die Werke für die Nachwelt zu erhalten“.

Ein Stück ist besonders schön: ein dickes, goldenes Spendenbuch mit Genter Buchmalerei aus dem frühen 16. Jahrhundert. „Ich möchte es noch nicht verkaufen“, sagt Kreh, „deshalb ist auch kein Preisschild daran“. Aber die Kundschaft steht ohnehin noch nicht Schlange in seiner Buchhandlung. Es kommen immer mehr Besucher. Zum Weihnachtsmarkt hat Kreh die Winnender mit Met in seine Räume gelockt, er lädt regelmäßig Referenten zu Vorträgen ein – zum Beispiel zu Kräutern im Mittelalter. Er hat auch Belletristik im Sortiment, Bücher zum Lachen im Mittelalter oder zu den Templern. „Nicht dass es heißt: da oben gibt es nur Bibeln“, sagt er.  

Nicht nur aus Liebhaberei 

In einer Broschüre über das Winnender Kulturleben ist „Dietrich-Kreh-Faksimile“ inzwischen als Adresse vermerkt, „aber nur aus Liebhaberei mache ich es nicht“, sagt Kreh, „sonst macht das Ganze keinen Sinn“. Deshalb hat er einen Mitarbeiter eingestellt, der für die Kundenpflege zuständig ist – in der Hoffnung, allmählich einen Sammlerstamm aufzubauen. Bis Ende des Jahres will er das erste Faksimile verkauft haben. „Mein Ziel ist es, einen großen Kreis zu erschließen“, sagt Kreh und weiß doch, dass das ein langer Weg sein wird. „Sie können Faksimile nicht so verkaufen wie ein Auto, da muss man Geduld haben“.