Online-Handel

Software für Antiquare – ein Gespräch mit Thomas Benedix

11. Mai 2010
von Börsenblatt
Der EDV-Dienstleister Thomas Benedix (Köln) hat im Dezember 2009 die PALgroup mit der Software PALplus übernommen. Wir fragten ihn nach seinen Plänen bezüglich der Antiquariatssoftware.

Thomas Benedix arbeitet seit 1995 freiberuflich in diversen Branchen als EDV-Berater und Softwareentwickler. Für die Genossenschaft der Internet-Antiquare e. G. (GIAQ) übernahm er die Erstellung des Internetportals "prolibri.de" (heute: antiquariat.de), das im März 2005 startete. Aktuell betreut Benedix – neben weiteren Kunden – die GIAQ in allen technischen Fragen zu antiquariat.de und ist Webmaster der Seite. Im Dezember 2009 hat er zusätzlich die PALgroup mit der Antiquariatssoftware PALplus übernommen.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit der Entwicklung von Antiquariatssoftware?

Thomas Benedix: Seit 2003 arbeite ich mit der GIAQ zusammen und bin seitdem mit der bei  Händlern eingesetzten Antiquariatssoftware konfrontiert. Ich wollte mir von Anfang an ein Bild von den Systemen vor Ort verschaffen, da ja das Antiquariatsportal antiquariat.de als Verlängerung der heimischen Software angesehen werden kann. Meine umfangreiche Erfahrung aus Bibliotheken und vor allem den Verwaltungsregistraturen war mir sehr hilfreich beim Blick auf die Ordnungssysteme in Antiquariaten. Schnell sah ich hier, worauf es ankommt und vor allem, wo es mangelt. Wir haben bei der Programmierung von prolibri.de (heute: antiquariat.de) große Anstrengungen darauf verwenden müssen, die Strukturmängel der angelieferten Angebotsdaten auszugleichen.

Die Idee, eine Antiquariatssoftware zu erstellen, ist schon in 2005 entstanden, also lange vor der PALplus-Übernahme. Üblicherweise wird heute eine Branchensoftware lokal betrieben, wie dies jetzt schon seit gut 25 Jahren mit PCs gemacht wird. Man kann sie aber auch über das Internet als Service (Software as a Service/SaaS) organisieren, wie dies schon seit einigen Jahren propagiert wird. Ich fühle mich in beiden Bereichen zu Hause und habe einige Zeit darauf verwendet, auszuloten, was die beste Lösung für ein heutiges Antiquariat ist. Viele Gespräche mit Antiquaren ergaben, dass ein großes Misstrauen gegenüber einem gemeinsam mit anderen Antiquariaten geteilten Datenbankserver besteht. Die Kundendaten, also das Kapital eines Antiquariats, "gehören nicht auf einen öffentlich zugänglichen Internetserver…", eine oft gehörte Meinung. Die zu erstellende Software muss also beides liefern, lokale und zentrale, über das Internet organisierte Verfügbarkeit.

Ende 2009 haben Sie den Softwarebereich der PALgroup mit dem Programm PALplus übernommen. Was sind Ihre Pläne in Bezug auf die Entwicklung dieser Software?

Mit PALplus habe ich seit circa einem Jahr (Sommer 2009) zu tun, also schon einige Zeit bevor ich die Software übernommen habe. Arnulf Liebing hatte gesehen, dass seine Software, die er im Jahre 2002 entwickeln ließ, mittlerweile technisch nicht mehr zeitgemäß war. Das liegt im Wesentlichen am verwendeten Programmiersystem (Borland Delphi/BDE), dessen Zeit abgelaufen ist. Vor zehn Jahren war es eine sehr gute Wahl, so ist die PAL-Software ja auch nicht die einzige Antiquariatssoftware am Markt, die mit dieser veralteten Programmiersprache erstellt wurde. Arnulf Liebing zog mich im Sommer 2009 hinzu, um die Software neu zu entwickeln. Es war dann nur folgerichtig, dass ich nach seinem Tod im November die Software komplett übernommen habe.

Natürlich funktioniert das Programm immer noch sehr zuverlässig, und es ist auch unter der aktuellen Windowsversion Windows 7 lauffähig. Ich gehe davon aus, dass die Software in der vorliegenden Form noch viele Jahre einsetzbar bleiben wird. Wir – ich kann dies natürlich nicht alleine machen – kümmern uns darum, dass das Programm die notwendigen Anpassungen erhält, die im Alltagsgeschäft notwendig werden. Als größere Erweiterung wird es bald ein "Amazonmodul" geben, dass sich bei einigen Antiquariaten schon im Testbetrieb befindet. Eine Nachrüstung weiterer, wesentlicher Neuerungen bleibt aber der Neuentwicklung des Programms vorbehalten.

Die Neuentwicklung wird PALplus in der jetzigen Form vollständig ersetzen. Sie wird zudem nicht auf Wiindows-Systeme beschränkt bleiben, sondern auch auf Linux und vor allem Apple-Systemen funktionieren. Natürlich ist sie, wie PALplus auch, mehrplatzfähig und dies in einer erweiterten Form. Mit einem zentralen Server (online) im Hintergrund kann die Datenhaltung lokal oder online oder in einer Mischform organisiert werden. Zudem kann die Software mit unterschiedlichen Anwendersprachen betrieben werden.

Die Akzeptanz und Qualität einer solchen Software hängt ganz wesentlich davon ab, ob der Arbeitsplatz auf dem Bildschirm sinnvoll "abgebildet" wird. Das kann man am besten unter Mitarbeit von Antiquaren bei der Softwareentwicklung erreichen. Es bietet sich an, die Weiterentwicklung der Antiquariatssoftware in enger Verbindung mit der GIAQ zu gestalten. So ist weiterhin für spezifisches Fachwissen im Hintergrund gesorgt. Es wird eine klassische "win win Situation", entstehen – die GIAQ etwa erhält eine passgenau hergestellte Software für Ihre Mitglieder. Allerdings werden das neue PALplus und die GIAQ-Erfassungssoftware an der Oberfläche nicht identisch sein, im Kern natürlich schon.

Kurz: Es wird PALplus in einem neuen Gewand geben, und eine davon abgeleitete Version für die Erfassungssoftware der Genossenschaft.

Benötigen Antiquare und Sammler heutzutage eigentlich eine externe Software? Wären individuelle Lösungen nicht recht einfach zu erstellen?

Natürlich kann man mit den heute verfügbaren Officeprogrammen eine eigene Verwaltungssoftware konfigurieren oder von einem leidlich erfahrenen Anwender zusammenstellen lassen. Man kann sogar auf freie Software zurückgreifen, um eine Warenwirtschaft und einen Webshop zu betreiben. Hier wird aber oft vergessen, dass bei den Open-Source-Modulen lediglich die Lizenzgebühren fehlen, Einrichtung und Pflege dieser Software aber trotzdem geleistet werden muss und dafür braucht man schon solide technische Kenntnisse. Die Beispiele, die hier in den Foren angesprochen wurden, handeln allesamt von Antiquaren, die aus dem IT-Bereich stammen.

Fazit: Ich möchte mit PALplus (ff.)  ein Werkzeug zur Verfügung stellen, das unter Beachtung sinnvoller Standards im Antiquariatswesen auch unter den gegebenen Änderungen durch den Online-Handel eine ordentliche Arbeit im Antiquariat ermöglicht.

Sie verantworten, wie oben angesprochen, auch die Technik von antiquariat.de (früher prolibri.de) der GIAQ. Wie verhält sich das?

Wir arbeiten nun schon sechs Jahre zusammen und ich kann sagen, dass die GIAQ bei mir kein Auftraggeber wie jeder andere ist. Es besteht eine hohe Übereinstimmung hinsichtlich der Softwareentwicklung. So sehen wir beide die Selbstbestimmtheit des Händlers oder  das Vertrauen zum Kunden als hohes Gut an. Dies drückt sich bei antiquariat.de etwa darin aus, dass die Seite ohne Javascript und ohne Cookies normal benutzbar ist. Wer also höchste Ansprüche an den Datenschutz stellt, kann die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) häufig empfohlenen Einstellungen im Browser verwenden (no script / no cookies) und trotzdem Artikel suchen und bestellen (ohne Registrierung). Der Kunde wird garantiert nicht dominiert oder gar ausspioniert. Ähnlich sehe ich dies für PALplus. Ein unkontrolliertes "Nachhause telefonieren" der Software  wird es nicht geben.

Zurück zum Anfang: Wie viele PALplus-Kunden haben Sie bei Antiquariatsprogramm und Sammlersoftware? Was möchten Sie hier in den nächsten Jahren erreichen?

Bei der Übernahme der PAL-Software, habe ich eine umfangreiche (3-stellige) Kundenliste erhalten. Ein Teil dieser Kunden  hat einen Wartungs- und/oder Lizenzvertrag. Trotz der  moderaten Preise gibt es eine kontinuierliche Einnahme, die zur oben beschriebenen Neuentwicklung der Software verwendet wird, wenn auch nicht alle Kosten daraus gedeckt werden können.

Es gibt aber auch eine große Dunkelziffer, das sind Kunden, die nicht auf der Liste standen, aber sehr zufriedene PAL-Anwender sind. Hier habe ich mehrere Male Anfragen der verschiedensten Art erhalten. Für mich war bei diesen Gesprächen sehr interessant, dass es nicht nur der Preis ist, der diese Kunden jahrelang bei PAL gehalten hat, sondern die Software. Die Sammlersoftware ist eine Untermenge der PAL-Software. Auch hier konnte ich schon Neukunden gewinnen.

Wie erwähnt geht es mir neben dem wirtschaftlichen Erfolg auch in hohem Maße darum, eine gute Arbeit abzuliefern. Ich möchte deshalb hier nicht Umsatzziele nennen, sondern den Wunsch zum Ausdruck bringen, eine Software herzustellen, die dem Anwender Spaß bei der Arbeit mit seinen Büchern bereitet und dem Kaufmann unter den Anwendern einen Nutzen bringt.

Die Fragen stellte Matthias Glatthor