Meinung

Markenrecht: Verlage im Fadenkreuz

22. Juli 2010
von Börsenblatt
Um Markennamen wird mit harten Bandagen gekämpft. Und völlig ohne Augenmaß. Meint Konstantin Wegner.
Unser Rechtssystem bringt seine Seltsamkeiten hervor. Zahlreiche Bücher, zum Beispiel "Kein Alkohol für Fische unter 16" (Bassermann) zeugen davon. Ein Fall dürfte es auch in eine dieser Kuriositäten-Sammlungen schaffen, zu dem wir alle sogar unfreiwillig unseren Beitrag leisten: Vor einigen Jahren brachte Random House Audio eine Krimireihe auf den Markt – die Cover zierte in einer Ecke (neben Titel und Autor) auch ein kleines nach links geneigtes Fadenkreuz, rot auf schwarzem Grund, in dessen Zentrum die Bandnummer und darunter in weißer Schrift die Worte "Krimi Hörbuch" zu lesen waren.
Als den Verlag ein Anwaltsschreiben vom Südwestrundfunk (im Namen der ARD) erreichte, dass dieses Logo die Rechte an dem als Marke eingetragenen Fadenkreuz aus der Sendung "Tatort" verletze, war er einigermaßen verwundert. Nicht nur waren die beiden Fadenkreuze sehr unterschiedlich gestaltet. Auch wird dieses Zeichen nicht gerade selten zur symbolhaften Charakterisierung von Spannungsunterhaltung eingesetzt.
Dies hielt das Landgericht Koblenz jedoch nicht davon ab, eine vom Südwestrundfunk beantragte einstweilige Verfügung gegen den Verlag zu erlassen. Erst viele Schriftsätze und einige Gerichtstermine später hatten die Richter des Oberlandesgerichts Koblenz ein Einsehen und hoben die einstweilige Verfügung auf, bei voller Kostenlast – für die Sendeanstalt.Wer nun meint, diese sähe sich geläutert, hat sich getäuscht. Im Gegenteil: Der ganze Streit wurde sogar noch ausgeweitet. Sowohl Verlage als auch Festival-Veranstalter geraten nun ins Visier – und dabei geht es nicht mehr nur um das Fadenkreuz, sondern um den Begriff "Tatort": Das junge Literatur-Festival "Tatort Ammersee" hat sich jetzt (nach Erhalt einer Abmahnung zur Vermeidung eines kostspieligen Streits) umbenannt in "Krimifestival Fünfseenland"; der Buchtitel »Tatort Starnberger See« (Gmeiner) lautet nunmehr "Tod am Starnberger See" ...
Bekannte Marken sollten geschützt werden. Und Trittbrettfahrern Einhalt zu gebieten, die den Erfolg eines anderen für sich kommerziell ausnutzen wollen, ist ein legitimes Ziel. Den Versuch der Monopolisierung von gängigen Begriffen und Zeichen aber, noch dazu in Bereichen, die mit dem eigentlichen Kerngeschäft nichts zu tun haben (bei der Sende­anstalt, also dem Fernsehen), kann man nur als skandalöse Posse betrachten.
Diese Vorgehensweise ist aber auch Beleg einer Tendenz, die sich schon seit einiger Zeit abzeichnet. Sogenannte Ausschließlichkeitsrechte – etwa Marken-, Titel- oder auch Persönlichkeitsrechte – werden mit immer größerem Aufwand und unter Einsatz aller rechtlichen Mittel geltend gemacht. Die Motive sind sicherlich von Fall zu Fall anders gelagert, und während bei manchem B-Prominenten sein bares Anliegen allzu deutlich durch die empörten Zeilen des anwaltlichen Schreibens scheint, bleibt letztlich rätselhaft, was den Südwestrundfunk nach jahrelanger Untätigkeit und Duldung von Festivals und Publikationen plötzlich antreibt, seine vermeintlichen Rechte so aggressiv zu wahren.
Warum wir alle unseren Beitrag zu diesem Verfahren leisten? Weil Gerichtsverfahren, Gutachten und Anwälte die Sendeanstalt schon einen satten fünfstelligen Betrag gekostet haben – bezahlt (auch) durch Rundfunkgebühren. Diese Beträge erreichen zwar nicht die Gage des wechselwilligen Herrn Jauch, sind aber jedenfalls schlechter investiert.