Interview

Trojanow: "Es gibt nicht genügend Literaturfestivals"

29. Juli 2010
von Börsenblatt
Das Literaturfest München, das vom 17. November bis 5. Dezember zum ersten Mal in dieser Form stattfindet, umfasst die Münchner Bücherschau, den Markt unabhängiger Verlage "Andere Bücher braucht das Land" und der Geschwister-Scholl-Preis (siehe Börsenblatt 30/2010). Neu ist die Veranstaltungsreihe forum:autoren. Kurator und Schriftsteller Ilija Trojanow über das Konzept des Forums.
Was hat Sie am Konzept von „forum:autoren“ beim neuen „Literaturfest München“ überzeugt, so dass Sie als erster Kurator agieren werden?
Ilija Trojanow: Es ist eine wunderbare Idee, jährlich einen anderen Autor einzuladen, der als Kurator nach eigenem Gutdünken ein Festival zusammenstellt. So ist jedes Jahr ein spezielles, eigensinniges und konzeptionell anders gelagertes Festival zu erwarten.
 
Welche Art von Autoren und von Literatur wollen Sie dem Publikum näher bringen? Welche Autoren konnten bereits fürs das erste „forum:autoren“ gewonnen werden?
Autoren, die nicht in die althergebrachten Kategorien von Nationalliteratur, von Herkunft und Heimat passen, sondern die neue Brücken schlagen, mehrsprachig denken und manchmal sogar schreiben. Autoren also, die einen freien Zugriff zu überraschenden, biografisch nicht zwingenden Themen haben. Ich nenne David Albahari, Aleksander Hemon und Dzevad Karahasan, die aus dem Gebiet stammen, das bis vor kurzem Jugoslawien hieß, die heute aber in Toronto, Chicago und Graz leben. Oder Hédi Kaddour, der als Tunesier einen großen europäischen Roman geschrieben hat. Und dann kommen die als Chamisso-Autoren inzwischen titulierten Sprachwechsler wie Ilma Rakusa, José Oliver oder Feridun Zaimoglu.
 

Wie wird das Mischungsverhältnis von fremdsprachiger und deutschsprachiger Literatur beim „forum:autoren“ konkret aussehen?
Ich würde sagen zwei Drittel fremdsprachige, ein Drittel deutschsprachige Autoren.
 
Welche Art von Veranstaltungen schwebt Ihnen beim „forum:autoren“ vor – es wird ja wahrscheinlich nicht nur Lesungen geben?
Lesungen im klassischen Sinne gibt es so gut wie nicht, sondern oft Gespräche, etwa zwischen Herta Müller und György Dragoman über Literatur, Geheimdienst und Repression, Es geht also um eine intensive Begegnung zwischen zwei Autoren, die ein gemeinsames Anliegen oder ähnliche ästhetische Positionen haben. Ansonsten gibt es innovative Reihen wie wortraga oder "eine Geschichte, die weitergeht". Da geht es darum, Literatur in ungewöhnlicher Form an ungewöhnlicher Stelle zu präsentieren.
 
Gibt es nicht in Deutschland eigentlich nicht schon genug Literaturfestivals?
Ich finde nicht, dass es genügend Literatufestivals gibt, es können sich nämlich die wenigsten Leute leisten, für einige Tage nach Hamburg, Köln oder Berlin zu fahren, wenn sie in den Genuss eines solchen Festivals kommen wollen. Zudem gibt es wenige Festivals mit konzeptueller Ausrichtung und noch weniger solche, die von Autoren für Autoren kuratiert werden.