E-Books

Spezialisten für virtuelle Logistik

2. September 2010
von Börsenblatt
Wer E-Books verkaufen will, muss den digitalen Vertrieb störungsfrei organisieren: Neue Dienstleister bringen sich in Position – darunter Barsortimente und Auslieferungen. Weitere Themen zum digitalen Publizieren finden Sie in unserem Extra E-Books und Neue Medien in Börsenblatt 35 / 2010, das am 2. September erscheint.

Der E-Book-Markt in Deutschland nimmt Konturen an. Mit gemischten Gefühlen blicken Verleger und Buchhändler zurzeit auf die Big Player: Die drei globalen Akteure Amazon, Apple und Google haben die Macht, um die Wachstumsdynamik im digitalen Geschäft erheblich zu steigern. Gleichzeitig könnten sie aber auch das Marktgeschehen dominieren.

Zum Stand der Dinge:

  • Amazon arbeitet gerade am Launch seines Kindle-Store in Deutschland. Die entsprechenden Verträge liegen vielen Verlagshäusern bereits vor – auch wenn dies niemand offiziell bestätigt.
  • Google arbeitet weiter an seiner E-Book-Plattform Google Editions, die möglicherweise noch in diesem Jahr auch in Deutschland an den Start gehen soll.
  • Apple ist mit seinem iBook Store via iPad zwar im deutschen Markt angekommen, hat aber erst zwei gr0ße Verlagsgruppen unter Vertrag: Lübbe und Random House. Zudem zeigt sich der iBook Store, wie er derzeit präsentiert wird, noch nicht von der kundenfreundlichen Seite. Das Angebot ist dünn, die Suche nach Titeln manchmal schwierig.

Für die Branche ist es höchste Zeit, sich auf die neuen Marktverhältnisse vorzubereiten – denn in fünf Jahren könnte der Marktanteil von E-Books auf bis zu 15 Prozent steigen.

Verlage, Zwischenbuchhandel und Sortiment sind nun dabei, die Strukturen aufzubauen, die den Vertrieb von E-Books an Endkunden bündeln und optimieren. Jüngste Entwicklung: Der Marktforscher Media Control will zur Frankfurter Buchmesse unter dem Markennamen ceebo (central e-book) eine neutrale, treuhänderische E-Book-Verkaufsplattform vorstellen, auf die Verlage und Buchhändler zugreifen können.

Um auch in der digitalen Welt E-Books produzieren und vertreiben zu können, sind Verlage auf Distributoren und Aggregatoren angewiesen, die den Content ver­edeln, zusammenführen und an den Online-Shop weiterleiten, in dem der Kunde ein E-Book kauft und ­herunterlädt.

So haben sich inzwischen einige Auslieferungen auch als digitale Dienstleister aufgestellt. Sie bieten nicht nur Content-Distribution, sondern auch Services rund um das E-Book an, wie beispielsweise:

  • das Konvertieren digital angelieferter Inhalte in das derzeit meistgefragte Format EPUB
  • die Ausstattung mit einem Kopierschutz (DRM)
  • das Optimieren der Daten für bestimmte Shops wie den iBook Store
  • die Lieferung von Produkt- und Metadaten
  • die Einrichtung eines Download-Links
  • Rechnungsstellung und Absatzmeldung.

Die Bertelsmann-Tochter Arvato Systems in Gütersloh betreibt mit BIC Media bereits eine Full-Service-Plattform für digitale Inhalte. Sie fungiert nicht nur als Schnittstelle und Übertragungskanal, sondern bietet Verlagskunden auch zahlreiche Services bei der Aufbereitung von Dateien für den E-Book-Vertrieb an. »Wir können damit sämtliche digitalen Vertriebsplattformen bedienen«, so Mike Röttgen, Management Consultant Publishing Solutions bei Arvato Systems.

Das Unternehmen war das erste, das E-Books der Verlagsgruppen Lübbe und Random House im großen Stil für den iBook Store startklar gemacht hat – mehr als 2 000 Titel. Die angelieferten E-Books und deren Metadaten mussten an die App-Struktur der Apple-Plattform angepasst und über eine spezielle Schnittstelle an den iBook Store geliefert werden. »Für Apple hatten wir sogar eine eigene Übertragungssoftware zu entwickeln, die den E-Book-Transport noch einmal zusätzlich auf Vollständigkeit prüft.« BIC Media wird für Random House auch den E-Book-Vertrieb für die gemeinsam mit Holtzbrinck geplante Verkaufsplattform Premium übernehmen.

Das Verfahren bei BIC Media ist für die Verlage recht komfortabel. Die für den Handel bestimmten Bücher können die Verlage selbst auf die Plattform laden, alle anderen Prozesse laufen dann weitgehend automatisiert ab. Das gilt auch für den Kopierschutz, für den die Software Adobe Content Server 4 genutzt wird. Für die Übertragung der E-Books setzt BIC Media eine so­genannte asymmetrische Technik ein: Der Download-Link zum E-Book wird mit einem Link-Fragment verschickt, und erst im Shop wird der komplette Link zusammengebaut.

Die Leistungen von BIC Media – die von jedem Verlag in Anspruch genommen werden können – sind wiederum in die digitale Verlagsauslieferung der VVA integriert, ebenfalls unter dem Dach von Arvato angesiedelt. Sebastian Posth, der bei der VVA für Digital Content Distribution verantwortlich ist, sieht zwei wesentliche Leistungen, die die VVA für ihre Verlagskunden zu erbringen hat:

  • die Auslieferung von Metadaten, Cover, Buchdateien auf dem Weg zum Händler oder Aggregator (beispielsweise zu Libri.de, libreka! oder Ciando); hierbei wird das Auslieferungsmodul von BIC Media genutzt;
  • die Abrechnung der Umsätze und Erlöse; hierbei bündelt die VVA die von den Händlern gesammelten Absatzmeldungen und kann so den Verlagen titelbezogene Umsatzauswertungen bieten – auch im crossmedialen Überblick.
»Für Verlage ist gerade der crossmediale Vergleich eine entscheidende Information für die Steuerung des Vertriebs«, meint Sebastian Posth. Gleichzeitig werde damit dokumentiert, dass E-Books inzwischen ein integraler Bestandteil des Verlagsgeschäfts seien.

Die integrierte Gesamtlösung der VVA von Buchauslieferung und Digitaler Distribution sowie Abrechnung und Reporting wird von den Verlagen genutzt, die physisch über die VVA ausliefern. BIC Media-Technologie wiederum wird auch von anderen Verlagen und Auslieferern wie Rhenus Media eingesetzt.

Als digitale Auslieferung hat sich inzwischen auch die Holtzbrinck-Tochter hgv publishing services etabliert. Im Herbst 2009 übernahm das Unternehmen zunächst die E-Book-Auslieferung für die Holtzbrinck-Verlage und für Kunden wie Campus, die bereits physisch über die hgv auslieferten. Binnen eines Jahres ist nun eine Reihe weiterer Verlage dazugekommen – darunter Ravensburger und der Berlin Verlag. »Weitere Abschlüsse stehen bevor, unter anderem mit einem großen Fachverlag im süddeutschen Raum«, sagt Markus Hartmann, Leiter des Produktionsservice bei hgv. Mehr darf er derzeit nicht verraten.

Mit der E-Book-Auslieferung übernimmt hgv auch die Konsolidierung der Absatzzahlen – teilweise in Zusammenarbeit mit physischen Auslieferungen wie Prolit (dort ist der Berlin Verlag Kunde). So erfährt der Verlag, welche Titel er über welche Plattform verkauft hat.

Für die Übertragung der E-Books an den Online-Shop gibt es mehrere Verfahren. Sowohl hgv als auch VVA / BIC Media bevorzugen die Lösung »Remote Digital Warehouse«. Das Download-Portal – also beispielsweise Thalia.de – erhält dann nur die Metadaten des Buchs (inklusive Cover) und einen Download-Link. Wird dieser Link aktiviert, kann der Zugriff auf die Datei auf dem hgv-Server erfolgen. Vorteil dieses Systems ist, dass spätere Manipulationen des E-Book-Inhalts auf dem Vertriebsweg unterbunden werden und alle Daten zentral vorliegen.

Da einige große Shops wie Amazons Kindlestore und Apples iBook Store eigene DRM-Lösungen verwenden, liefert hgv in diesen Fällen laut Hartmann offene Daten.

Konkrete Zahlen zum Ausliefergeschäft will Hartmann nicht nennen, gibt aber einen Anhaltspunkt für die Wachstumsdynamik: »Wir vertreiben Monat für Monat immer mehr elektronische Bücher, von einem Sommerloch war nichts zu spüren.«

Auch Barsortimente sind inzwischen in den E-Book-Vertrieb eingestiegen: Libri.de hat im Frühjahr 2009 die Plattform Libri.Digital gegründet und baut jetzt seinen digitalen Vertrieb mit der Handels- und Endkundenlösung Libri.de eBooks aus.

KNV hat sich ebenfalls unter der neuen Dachmarke KN Digital als Full-Service-Dienstleister positioniert, der digitale Auslieferung, digitales Barsortiment und Dienstleister zugleich ist. Bei der Aufbereitung von E-Book-Daten kann KN Digital die Kompetenzen des Dienstleisters Zentrale Medien nutzen, der im März übernommen wurde. Zum Kundenstamm der digitalen Verlagsauslieferung gehört bereits eine Reihe größerer Verlage – so die gesamte deutsche Bonnier-Gruppe, Herder, Aufbau und Thieme. Hueber, dtv und die WBG beginnen demnächst mit der Auslieferung, wie KNV-Sprecherin Ulrike Alberts sagt.

Dass sich auch im Endkundenbereich etwas bei KNV ändert, ist nicht ausgeschlossen. Bisher betreiben die Stuttgarter nur die Verkaufsplattform e-buchkatalog, die von Ciando mit rund 35 000 Titeln bestückt wird. Ciando ist derzeit der größte E-Book-Händler in Deutschland. Seine Shop-Lösung haben unter anderen die Online-Händler buch.de, buecher.de und Weltbild.de (Weltbild eBooks) in ihre Portale integriert.

Inzwischen haben auch konzern­unabhängige Unternehmen das Geschäft E-Book-Vertrieb für sich entdeckt – so etwa Bookwire. Das Offenbacher Unternehmen, das mit dem Dienstleister EMS (Encoding Management Service) aus Leverkusen zusammenarbeitet, hat bereits mehr als 20 Verlage unter Vertrag – beispielsweise Parragon, Voland & Quist und den Verlag der Bertelsmann Stiftung.

Michael Roesler-Graichen

Glossar
Digitales Barsortiment: arbeitet ähnlich wie ein physisches Barsortiment; bezieht E-Book-Titel direkt von Verlagen oder digitalen Verlagsauslieferungen; liefert an Download-Shop oder direkt an Kunden
Digitaler Distributor: aggregiert Verlagscontent auf seiner Plattform und beliefert Handelskunden
Digitale Verlagsauslieferung: liefert E-Books im Auftrag des Verlags aus: an digitales Barsortiment oder an Online-Shop (z. B. iBook Store)
Digitaler Vertrieb: erfüllt zugleich Funktion eines Großhändlers / Barsortiments und einer digitalen Verlagsauslieferung; eine Art Full-Service-Vertriebsagentur für Verlage