Interview mit Arnoud de Kemp zur Buch Digitale

"Es wird eine friedvolle Koexistenz von Buch und E-Book geben"

15. September 2010
von Börsenblatt
Auf der Fachkonferenz Buch Digitale 2010 diskutierten gestern in Berlin über 150 Akteure aus Verlagen und Hochschulen, IT-Dienstleister, Autoren und Blogger über die Zukunft des digitalen Publizierens. Ein schnelles Ende des Buches wurde nicht vorausgesagt, wohl aber eine Fragmentierung des Medienmarktes. Boersenblatt.net sprach mit Arnoud de Kemp, Geschäftsführer der Akademischen Verlagsgesellschaft AKA.

Große Wissenschaftsverlage arbeiten mit Hochdruck an digitalen Produkten, die zur Wissensvermittlung auch Video- und Audio-Animationen einsetzen. Schon in zehn Jahren soll es kaum noch gedruckte Hochschul-Lehrbücher geben, wurde auf der Buch Digitale prophezeit. Können kleinere Verlage da mithalten?

de Kemp: Das wird schwierig. Kleinere Verlage können sich kaum die Fachkräfte leisten, die dafür notwendig sind. Sicher kann man solche Entwicklungsaktivitäten für die Software outsourcen, aber das kostet Geld und man braucht Erfahrung und Zeit für Experimente. Deshalb sind große Verlage dabei im Vorteil. Aber ich denke nicht, dass damit das Ende des Buches so nahe rückt, wie manche auf der Buch Digitale meinten. Vielmehr wird es eine friedvolle Koexistenz der beiden Medien geben.

Wie können sich kleinere Wissenschaftsverlage auf die veränderten Bedingungen einstellen?

de Kemp: Kleinere Verlage tun gut daran, sich zu spezialisieren, auf Nischen zu konzentrieren und das mit hoher Qualität. Denn die großen Verlage werden immer in der Lage sein, noch mehr Autoren anzuziehen oder kollaboratives Schreiben zu fördern. Sicher, wir sehen einen Trend, der sich fortsetzen wird – wie es das Beispiel digitales Hochschullehrbuch zeigt. Aber das soll uns nicht beunruhigen. Wir versuchen in unserem Verlag neue Bücher in neuen Themenfeldern, Bereichen mit Zukunft wie Nanotechnologie oder Gerontologie, zu entwickeln. Wenn man solche Nischen gut ausbaut, auch gute Bindungen mit Autoren herstellt, dann können kleinere Verlage mithalten. Ich denke, auf dieser Buch Digitale wurde mit Blick auf die Zukunft noch viel zu wenig über Autoren gesprochen. Hier standen vielmehr die Kunden und die Netzwerke im Mittelpunkt.

Wissenschaftsautoren, das wurde auf der Konferenz erläutert, werden bald bei der Erstellung neuer digitaler Produkte mit einer Toolbox arbeiten können, die Module für Bewegtbild oder für Ton-Applikationen enthält. Wo holen sich Verlage die Softwarelösungen her?

de Kemp: Ich werde auf der Frankfurter Buchmesse für unseren Verlag ein solches Tool vorstellen. Das bedient eine durchgängige Produktionslinie – angefangen vom Schreiben bis zu variablen Output-Formaten für unterschiedliche Reader. Diese Software wurde von einem Start-up-Unternehmen entwickelt, es ist die erste Anwendung, die ich selbst kennen gelernt habe. Wir unterstützen das und holen die Firma auf die Buchmesse, um das Produkt bekannt zu machen. Da sieht man eine innovative Entwicklung, die aus dem Bereich der Informatik kommt und die auf Autoren wie auf Kunden orientiert ist. Solche Produkte werden nicht von den Riesen der Branche wie Microsoft oder SAP auf den Markt gebracht, sondern von kleinen innovativen Firmen, die sich mit Kernfragen des Schreibens und Publizierens beschäftigen.

Wird die Nachfrage nach digitalen Produkten das Buch vom Wissenschaftsmarkt verdrängen?

de Kemp: Wir sprechen hier erst einmal über Schreiben, Produzieren und Publizieren noch nicht über den Verkauf an Kunden. Man wird sehen. Ich bin so eine Art Chamäleon. Wir sind mit unserem Verlag stark im elektronischen Publizieren, aber wir lieben es auch, schöne Bücher zu machen. Ich bin deswegen Optimist, dass beide Medien nebeneinander existieren. Und wie Sie wissen, ist der Pessimist ein gut informierter Optimist. Ich habe früher oft das Ende des Buches vorausgesagt. Aber das ist Unsinn, ich habe dazugelernt.

Interview: Volkhard Bode