Debatte

Liebe Verleger

6. Oktober 2010
von Börsenblatt
"Freuen Sie sich über das ungebrochene Interesse der Messebesucher – und lächeln Sie!" Jutta Bummel, Buchhandlung Eulenspiegel.
Kurz vor der Frankfurter Buchmesse häufen sich die Einladungen zu einem Besuch an diversen Ständen: Sie laden ein zu einem Glas Wein und Knabbereien, zu edlem Schinken, zur Abholung eines besonderen Geschenks, zu gastronomischen Highlights, zur Teilnahme an der Happy Hour ... Wir fühlen uns zwar geschmeichelt, ahnen wir doch, dass nicht alle Buchhändler damit bedacht werden. Aber am Ende des Messetags finde ich die meis­ten dieser Einladungen am Boden meiner Tasche ungenutzt wieder. Anstatt mit meinem Flyer zu kommen, finde ich es angenehmer, wenn ich spontan am Stand, an dem ich mich gerade befinde, eingeladen werde.
Neben den geplanten Terminen und Treffen mit Kollegen freue ich mich auf besondere Entdeckungen und Begegnungen, die durch das Sich-Treibenlassen in den Messehallen entstehen. Vorwiegend interessieren mich die Publikationen der Verlage, deren Vertreter uns nicht in der Buchhandlung besuchen – in erster Linie Bilderbücher und Bildbände, die man nur durch das Betrachten beurteilen kann. Auf der Messe spürt man die Stimmung der Branche, bekommt einen Blick für die aktuellen Trends und Themen und hat direkt vor Augen, auf welche Schwerpunkte Sie bei Ihrem Auftritt setzen.
Bei allem Verständnis für die Anstrengung des Messetrubels, volle Hallen, trockene Luft, lange Tage und kurze Nächte: Sie und Ihre Mitarbeiter sollten dennoch Ihren Kunden Aufmerksamkeit schenken und auf sie zugehen. Eine freundliche, aufgeschlossene Atmosphäre am Messestand, die Freude am Buch, die Kenntnis des Inhalts und die Lust zum Verkauf motivieren jeden, sich auf Titel einzulassen, die er sonst vielleicht nicht wahrgenommen hätte.
Manchmal habe ich als Buchhändlerin das Gefühl, dass die Menge der Menschen am Stand als störend empfunden und sie deshalb mit Missachtung für ihre Anwesenheit bestraft werden. Würden wir uns im Buchhandel während der Weihnachtswochen so verhalten, könnten wir bald schließen. Freuen Sie sich doch über das ungebrochene Interesse der Messebesucher am Buch – und lächeln Sie!
Vorträge, Lesungen und Veranstaltungen können mir Anregungen zu eigenen neuen Projekten geben. Durch den persönlichen Eindruck von Autoren und deren Auftreten kann ich einschätzen, ob sie für unsere Buchhandlung infrage kommen. Da ist es gut, wenn ich mich bei Ihnen an den Ständen über Honorare, Anfahrtswege und Zeiten der Autoren informieren und gegebenenfalls gleich einen Besuchstermin reservieren kann.
Ihre Vorschauen und Programme nehme ich bei Messebesuchen allein wegen des Gewichts schon lange nicht mehr mit. Vor Jahren war das noch anders. Eine Ausnahme gibt es aber: das mit viel Liebe zum Detail produzierte Gesamtverzeichnis des Hermann Schmidt Verlags. Von dem darin innewohnenden aufgeschlossenen Geist und dieser Begeisterung für den Beruf des Verlegers wünsche ich mir auf der Buchmesse etwas mehr zu spüren.

Jutta Bummel, Buchhandlung Eulenspiegel, Hochheim