Frankfurter Buchmesse 2010: Börsenblatt-Café

Buchpreisträgerin Melinda Nadj Abonji: "Kein Thesenbuch, sondern ein wunderbar erzählter Roman"

8. Oktober 2010
von Börsenblatt
Melinda Nadj Abonji, die Trägerin des Deutschen Buchpreises 2010, war heute Gast im Börsenblatt-Café - gemeinsam mit ihrem Verleger Jochen Jung. Im Gespräch mit ihnen Börsenblatt-Redakteur Holger Heimann. Mit Tonaufzeichnung.

Erst glaubte sie an einen Fehler, dann war sie erschrocken, schließlich sehr glücklich: So nahm Melinda Nadj Abonji die Nachricht auf, mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet zu werden. Es ist ihr zweiter Roman, und nachdem Egon Amamnn ihn nicht mehr machen konnte, kam sie zu Jochen Jung nach Salzburg. Und er sagte zu.

Melinda Nadj Abonji: "Ich hatte das Gefühl, hier richtig zu sein. Wir haben nicht nur über den Text, sondern auch über mein Leben gesprochen, sehr intensiv, über Stunden. Was mich sehr beeindruckt hat: die Bereitschaft zuzuhören, in die Tiefe zu gehen."

Jochen Jung: "Als Verleger bin ich neugierig auf besondere Menschen. Vor allem dann, wenn man mit einer Autorin zusammenarbeitet, die einen motiviert, die einen dazu bringt, genauer zu werden. Da springt sofort ein Funke über."

Als sie am Montag die Preisnachricht erhielt, schrie sie vor Freude. "Warum haben Sie nicht geschrieen, Herr Jung?", fragt Heimann. "Ich war stumm vor Überraschung und Freude, obwohl ich ja schon wusste, dass sie den Preis bekommt."

Dass endlich ein kleiner Verlag den Deutschen Buchpreis erhält, findet Jochen Jung großartig. "Damit ist jetzt eine Mauer durchbrochen."

"In Ihrem Buch schildern sie die Ankunft der Erzählerin Ildiko aus der serbischen Provinz Vojvodina in der Schweiz. Wie war das bei Ihnen selbst?", fragt Heimann. Nadj Abonji hat selbst kaum eine Erinnerung an die Fahrt und die ersten Tage. "Ich finde es schön, in meinem Roman Figuren erfinden zu können, Situationen neu zu vergegenwärtigen."

Heimann: "In Ihrem Roman bezeichnen Sie die Protagonistin als Mischwesen, das in verschiedenen Welten zuhause ist. Wie sehen Sie sich selbst?"

"Ich bin selbst gemischtes Wesen mit verschiedenen Sprachen, bin gern in Italien, in Wien, in Jugoslawien." Sprache ist ihre Heimat, sagt sie. Sie schreibt auf deutsch, beschäftigt sich aber auch mit Ungarisch und ungarischer Musik.

Melinda Nadj Abonji ist auch Vortragskünstlerin, sie hat Sinn für Rhythmik und Musik. Das spielt, wie sie erzählt, auch im Buch eine wichtige Rolle: "Die Kapitel haben verschiedene Tonarten, zum Beispiel Cis-moll."

Jochen Jung: "Dieses Buch hat ein Thema - im Zusammenhang mit der Migrationsdebatte. Aber dieses Buch ist kein Thesenbuch, sondern ein wunderbar erzählter Roman voller Musik, voller Sätze, die schwingen. Diese Musik spürt man beim Lesen sofort. Das ist eine ganz eigene Stimme, die einen gefangennimmt."

Heimann: "Jung & Jung ist jetzt 10 Jahre alt. Verändert der finanzielle Erfolg ihre Perspektiven?"

Jung: "Ganz sicherlich nicht, es ist nur eine große Beruhigung, ein solches Geschäft zu machen, manche Dinge lassen sich wunderbar regeln. Jung & Jung ist ein kleiner Verlag, und er soll es auch bleiben."

Das Gespräch ist zu Ende, Holger Heimann dankt den Gästen und den in großer Zahl erschienenen Zuhörern.