How to Make a Film with Steidl

21. Oktober 2010
von Börsenblatt
"Der Mann, der schneller reist als sein Jetlag“ betitelte Alex Rühle einst eine ganzseitige "SZ"-Reportage über Gerhard Steidl – und lieferte mit seinem Text fast so etwas wie das Drehbuch zu dem Film, der gestern Abend im Wettbewerbsprogramm des Dokfests Leipzig seine "Welturaufführung“ erlebte.
Über ein Jahr begleiteten die Filmemacher Gereon Wetzel und Jörg Adolph (der 2005 bereits die Langzeitdokumentation über die Entstehung von John von Düffels Roman „Houwelandt“ drehte) den besessenen Büchermacher bei der Arbeit, schleppten Steidls überladene Rimowa-Koffer von Flughafen zu Flughafen und in die Ateliers von Fotokünstlern, um dann leise und unauffällig die Gespräche zu filmen.

 

Kein Wunder, dass „How to Make a Book with Steidl“ ein schneller Film ist: Von Karl Lagerfelds Chanel-Modeschau im Pariser Grand Palais zur Präsentation eines Bandes zur Geschichte der IG Metall. Weiter nach Lübeck, wo Günter Grass schon mit dem Tuschpinsel wartet. Ed Ruscha, Robert Adams, Jeff Wall, Robert Frank – Los Angeles, Astoria, Vancouver, Nova Scotia – das ganze Programm in vier Tagen.

 

Roter Faden und Rückrat des Films ist die Zusammenarbeit des Verlegers mit dem Fotografen Joel Sternfeld an dem Buch „iDubai“, die die Filmemacher von ersten Konzept-Gesprächen im New Yorker Atelier bis zum Andruck in Göttingen verfolgen. Hier bohren Wetzel und Adolph tiefer als in den impressionistischen „Bits & Pices“ von immer neuen exotischen Destinationen, lassen sich Zeit: Sternfeld, der mit großformatigen Farbbildern berühmt wurde, wagt sich in einen Grenzbereich der Fotografie vor – er arbeitet in den Shopping Malls des Emirats mit dem iPhone. Bildbearbeitung, Format, Layout, Umschlaggestaltung, Marketing-Entscheidungen - wie im Ringen mit dem Thema und den speziellen Anforderungen der Handy-Fotografie Konzepte erdacht und wieder verworfen werden, wie man sich produktiv streitet, zu Lösungen vortastet – das ist hoch spannend, erhellend und nicht selten witzig anzusehen. Steidl um vier Uhr früh an der Druckmaschine, mit Schlafbrille und fünf iPods im Jet oder englisch über Farbverläufe fluchend („Fuck the midtones“) - die Methode der teilnehmenden Beobachtung bewährt sich aufs Schönste.

 

Ehrensache, dass der Verleger mit einigen Mitarbeitern aus der Düsteren Straße auch zur Film-Premiere eingeschwebt war. Gab es Vorabsprachen, Limitierungen für die Kamera-Eskorte, auf dass ein möglichst schmeichelhaftes Porträt entstehe? „Die sollten mich nicht bei der Arbeit stören“, knurrte Steidl, „ansonsten konnten sie machen, was sie wollten“. Eine vage Vorstellung, was ein solcher Film leisten könne, hatte der Verleger indes schon: „Zu zeigen, wie Ideen aus dem Kopf eines Künstlers ins Buch kommen – dieses Wissen weiterzugeben finde ich angesichts einer im Umbruch befindlichen Branche wichtig. Irgendwo ist unsere Besessenheit dann wohl auf die Filmleute übergesprungen“.

 

Ganz zum Schluss verriet Steidl noch das Geheimnis seiner „Handwerkertracht“ – der weiße Kittel mit den Stiften in der Brusttasche gilt längst als sein Markenzeichen: „Im Schriftsatz trug früher der Meister, der für die technischen Abläufe zuständig war, einen grauen Kittel, der Schriftsetzer, der sich als Künstler verstand, einen weißen. Insofern habe ich mich wohl bewusst entschieden.“ Ach ja: Während der Dreharbeiten haben 283 Bücher das Göttinger Druckhaus verlassen. So darf es ruhig weiter gehen, frei nach dem Foto-Künstler Roberto Polidori: „Digital is made to forget – analog is made to remember!“

 

nk      

 

"How to Make a Book with Steidl“: Erstausstrahlung auf 3sat: 4. 11. 2010, 22.45 Uhr 

 

Eine Bildergalerie finden Sie hier!