Interview

App-Entwicklung: "Weniger ist mehr"

28. Oktober 2010
von Börsenblatt
Cellular in Hamburg zählt zu größten App-Agenturen in Deutschland. Zu den Kunden gehören Stern, Focus, Brigitte, VW und das Versandhaus Otto. Geschäftsführer Birger Veit über Trends bei Apps, Lechtturmprojekte und die häufigsten Fehler bei der App-Entwicklung.

Enhanced E-Books, also die multimediale Aufbereitung von Büchern, sind derzeit ein großes Thema. Wie ist ihre Einschätzung: Wo sehen sie Chancen und Schwierigkeiten?
Wir sehen hier großes Potenzial! Es gibt schon jetzt einige sehr vielsprechende "enhanced E-Books", beispielsweise im Segment Kinderbücher. Die zeigen, welch tolle Möglichkeiten sich ergeben. Es ist faszinierend zu beobachten,  wie intensiv "Leser" allen Alters mit diesen Büchern interagieren. Insofern setzen wir auch auf die Weiterentwicklung von technischen Umgebungen, die die Erstellung solcher Enhanced E-Books vereinfachen.

Wo sehen Sie derzeit Trends bei der App-Entwicklung, was Inhalte und Funktionen anbelangt?
Apps sind so erfolgreich, weil sie so frappierend einfach zu bedienen sind und einen klaren Funktionsumfang haben, der den Kunden Komfort, Mehrwert und nicht zuletzt auch Spaß bietet. Zu den Trends zählen mit Sicherheit: Apps werden ästhetischer und optisch ansprechender gestaltet, als dies noch vor einem Jahr der Fall war. Die Mobilisierung von traditionell Text fokussierten Produkten wie Büchern bietet zudem noch Raum, interaktive Gerätefunktionen, Multimedia-Inhalte und kontextuale Informationen noch intelligenter einzubinden. Da wird sich viel bewegen. Ein weiterer Trend: Apps breiten sich auf andere Geräte aus. Desktop-Rechner und Fernseher werden in naher Zukunft ebenfalls "App-fähig" sein. Daraus resultieren neue Leser- oder Nutzerschaften und Verwendungskontexte. 

Können Sie ein bis zwei Leuchtturm-Projekte nennen, die zeigen, was in Sachen Apps möglich ist?
Zum Beispiel "Osmos HD". Ein sehr ästhetisches Spiel für das iPad, das die Funktionen des Gerätes sehr schön kombiniert. Es verfolgt ein völlig neuartiges Spielkonzept. Oder das Enhanced E-Book "Mikas Abenteuer", das Text, Ton und Bild optimal kombiniert. Inspirierend ist auch "XE Elemente" – damit lässt sich das Periodensystem der Elemente ganz anders "erleben": multimedial dargestellt und dank Touchscreen anfassbar. 

Apple will jetzt iTunes auf alle Macs bringen. Wird das den Markt verändern?
Dies ist die Fortführung eines Erfolgsmodells. Apps werden auf allen Geräten stattfinden, die einen Screen haben.

Was sind Ihrer Meinung nach die häufigsten Fehler, woran App-Projekte von Unternehmen scheitern?
Es gibt zwei Fehler, die häufig begangen werden. Erstens: Die enorme Funktionsvielfalt der Geräte (iPhone, iPad, Android) beflügelt oftmals den Wunsch, möglichst viele "tolle Features" in die eigene App zu bauen. Die Gefahr dabei: Die App wird überfrachtet und lässt sich nicht mehr leicht und intuitiv bedienen. Die Magie der Apps liegt in der Einfachheit ihrer Bedienung. Dies muss bei der Konzeption stets klar im Fokus stehen und mit den geplanten Funktionen abgeglichen werden.
Zweitens: Kunden neigen zu dem Wunsch, bestehende Inhalte 1:1 aus Printprodukten oder von Online in eine App zu "kippen". Der Mehrwert für den Kunden bleibt damit oft auf der Strecke. Meiner Erfahrung nach sollte man den Mehrwert deshalb von vornherein klar definieren, um sich bei der Umsetzung daran zu orientieren. Es gilt dabei ganz klar: Weniger ist mehr.

Einen Artikel zu Best-Practice-Beispielen bei der App-Entwicklung in Verlagen lesen Sie im aktuellen Börsenblatt, das heute erschienen ist.