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Zwei Buchtitel. Ein Vergleich

19. November 2010
von Börsenblatt
Bei der Gestaltung von Romantiteln arbeiten die Verantwortlichen gern mit Metaphern – weil sie gewünschte Gedankenspiele und Interpretationen beim Betrachter provozieren, vor allem aber um eine lineare Illustration des jeweilgen Textes zu vermeiden.
Gute Kriminaliteraturtitel bilden deshalb nur selten Opfer, Tatwaffe oder die mögliche Auflösung ab. Krimileser sind deswegen besonders konditioniert, ein Titelmotiv nicht zwingend als Handlungsmoment zu interpretieren. Die Covergestaltung ist hier also einerseits sehr frei, muss aber dennoch natürlich Interesse wecken. Verschlüsselungstechniken passen also scheinbar gut. Ganz gefahrlos ist die Verwendung von Metaphern jedoch nicht, so der Schlüssel andere als die beabsichtigten gedanklichen Türen öffnet.

"Die feine Nase der Lilli Steinbeck", für die der Autor Heinrich Steinfest 2008 ein weiteres Mal den Deutschen Krimipreis bekam, legt Piper mehrfach auf – unterschiedlich ausgestattet und gestaltet.

Auf dem Titel der ersten Ausgabe, einer Klappenbroschur, beschnüffelt ein rosafarbenes Hausschwein vor geblümter Tapete pinke Auslegeware. Die beiden ersten Sätze im Klappentext lauten: "Das Auffälligste an der ausgesprochen schlanken und eleganten Lilli Steinbeck ist ihre Nase. Eine Klingonennase, die ihr eine Schar stark verunsicherter Bewunderer beschert." Kommissarin Steinbeck verfügt also sowohl beruflich als auch physiognomisch über einen besonderen "Riecher".

Die Internet-Bildagentur macht zu diesem Stichwort 4.503 Angebote, die Münchner Buchgestalterin Claudia Niere entscheidet sich für das Blümchenschwein. Steinfests Schreibstil ist schließlich komisch.

Nun, die elegante und raffinierte Kommissarin Steinbeck hat mit diesem Schwein nur wenig gemein. Gut möglich, dass die zehn entführten Männer hier mit Trüffeln gleichgesetzt werden, denn ansonsten ist ihr Auftreten weder explizit schweinisch noch sehr häuslich. Rosa stünde ihr ob ihrer dominanten Art ebenfalls nicht wirklich gut und auf ganzen 345 Seiten begegnet ihr keine Sau, nicht mal in gebratener Form. Lediglich Vögel, hässliche überdies, finden im Text Erwähnung.

Auf dem Cover der ersten Taschenbuchausgabe, finden sich unterhalb der Titelzeile – und eines ungleich jüngeren Schweins – elegante Frauenbeine, die in roten Pumps enden. Das Schwein steckt nun im Damenschuh. Kommissarin Steinbeck verliert also ihre Häuslichkeit und gewinnt stattdessen an Erotik?

Nach etlichen Ausgaben und Auflagen räumt Piper jetzt auf. Steinfest und seine Bücher finden ihren Platz in einer einheitlichen Autorenreihe. Die Münchner Agentur semper.smile, für die Reihengestaltung verantwortlich, generalüberholt die Gestaltung, jeder einzelne Band erhält neben neuer Typografie auch ein neues Schlüsselbild, das Ganze auf nunmehr schwarzem Grund.

Der Vogelkäfig, dem der Inhalt entrissen wurde, ist erstmals eine tatsächlich stimmige, sprich der Handlung angemessene Metapher. Der neue Titel für "Die feine Nase der Lilli Steinbeck" weckt Geist und Lust gleichermaßen und schämt sich nicht mehr seines Genres. Warum auch?

 

Robert Schumann, Buchgestalter in Berlin