E-Books

Lesezimmer in der Datenwolke

16. Dezember 2010
von Börsenblatt
Google eBooks nimmt die Generation des allzeit mobilen Internetnutzers vorweg. Online-Buchhandel, Leseplattform und Software-Providerdienste gehen dabei Hand in Hand.

 Mit Google eBooks hat sich der Internetkonzern nicht nur endgültig als Händler etabliert, sondern setzt erstmals die Cloud-Technologie für den Vertrieb digitaler Bücher ein. Mit dem Cloud Computing werden Kauf, Verwaltung und Nutzung der Inhalte weiter virtualisiert: Es wird keine Datei mehr auf einen Rechner heruntergeladen (mit Ausnahme einer Sicherungskopie für Archivzwecke). Stattdessen werden die Daten, die auf Netzwerkrechnern von Google verteilt gespeichert werden, online in der Wolke – der Cloud – zum Buch zusammengesetzt und im Webbrowser mithilfe einer Reader-Software (Goo­gle eBooks Web Reader) präsentiert.

Das gekaufte E-Book wird im persönlichen E-Book-Regal (»My eBook Shelf«) abgelegt. Es kann auf jedem Bildschirm – unabhängig von einem bestimmten Endgerät – gelesen werden. Ein direkter Zugriff auf die E-Book-Daten ist laut Google von außen nicht möglich. Der Vorteil für die Kunden: Sie müssen sich kein Endgerät anschaffen, sondern können vorhandene Rechner, Tablets oder E-Reader mit Webbrowser nutzen (außer Amazons Kindle). Die Lektüre kann zudem auf jedem Gerät unterbrochen und auf einem beliebigen anderen Gerät wiederaufgenommen werden, ohne dass das E-Book wieder geladen werden müsste. Es genügt, sich über seinen Google-Account anzumelden (ähnlich wie bei Google Mail und dem Online-Fotoarchiv Picasa).

Die Cloud-Technologie bei E-Books ist Teil der gesamten Online-Strategie von Google. Diese fußt auf der Annahme, dass Nutzer und Käufer künftig rund um die Uhr online sind – immer dann, wenn sie ihren Computer oder ihr mobiles Endgerät einschalten. Um auch jeden heimischen Rechner sekundenschnell starten zu können, bietet Google sein neues Betriebssystem Chrome OS an, das ebenfalls nur in der Cloud funktioniert und in den Google-Rechenzentren gespeichert wird. Computernutzer könnten künftig ohne Festplatte auskommen und müssten keine Software mehr installieren.

Googles neues Vertriebsmodell wird von deutschen Verlagen begrüßt – nicht nur, weil die Hardware-Problematik mehr oder weniger entfällt. Thomas Schierack, Geschäftsführer bei Bastei Lübbe, ist »froh über jeden Vertriebsweg«, auch wenn derzeit eine Häufung von E-Book-Plattformen zu beobachten sei. Mit Googles Reichweite könne jedoch kein deutscher Anbieter mithalten. In Deutschland nutzen immerhin 90 Prozent der Surfer die Suchmaschine Google, die auch Treffer in Google Books (und damit auch von E-Books) anzeigt.

Nach Angaben von Annabella Weisl, Strategic Partner Manager bei Google, können bisher nur klassische E-Books im Browser gelesen werden. Sie schließt aber nicht aus, dass sich künftig auch enhanced E-Books darstellen lassen. Auf einen Starttermin für Google eBooks in Deutschland legt sich Weisl nicht fest: »Irgendwann 2011 wird es soweit sein.«

Googles Cloud-Modell ließ Amazon nicht untätig: Ab sofort können Kindle-Kunden ihre E-Books mithilfe einer Kindle-App auch im Webbrowser lesen. Händler können zudem den Zugang zum Kindle-Store als Widget in ihre Website integrieren. Damit sind Kindle-E-Books inzwischen auf allen Plattformen lesbar. Amazon tritt dabei nicht nur als Konkurrent in Erscheinung: Die neue Kindle-Web-Applikation wurde gemeinsam mit ­Googles Chrome OS der Öffentlichkeit vorgestellt.

Michael Roesler-Graichen

 

Google eBooks
Google eBooks ist mit mehr als drei Millionen Titeln – davon 280 000 kostenpflichtige Titel – am 6. Dezember in den USA gestartet. Die E-Books werden online in der Datenwolke (»cloud«) gekauft, gelesen und verwaltet. Sicherungskopien im PDF-oder EPUB-Format können heruntergeladen werden.