Hatje Cantz

Wie geht es jetzt weiter, Frau Kulenkampff?

10. Februar 2011
von Börsenblatt
Der Kunstbuchverlag Hatje Cantz ist mit in den Insolvenzstrudel seines Mutterhauses, der Mediengruppe J. Fink gerissen worden. Geschäftsführerin Annette Kulenkampff über die Hintergründe und die Suche nach einem Investor, die offenbar schon seit Herbst 2010 läuft.

Kam der Insolvenzantrag der Firmengruppe für Sie überraschend?

Kulenkampff: Ja, absolut. Die Ereignisse haben uns geradezu sintflutartig überrollt. Denn der Verlag Hatje Cantz ist gesund und munter. Am Montag habe ich zum ersten Mal von den akuten Problemen der Holding gehört, am Dienstag ging der Insolvenzantrag raus.

Woher kommt denn der plötzliche Engpass der Holding?

Kulenkampff: Auslöser ist die Situation auf dem Druckerei-Markt, vor allem beim Rollenoffset. Nach einigen Insolvenzen, etwa der Schlott-Gruppe, haben die Lieferanten für Papier und Farbe ihre Einkaufskonditionen verändert und fordern Vorkasse. Das erhöht den Druck auf die Unternehmen, die ohnehin durch schwierige Zeiten gehen. Spielen die Banken nicht mit, haben die Druckereien kein Material für die Produktion. Ich bin mir sicher, dass diese Spirale in der nächsten Zeit noch weitere Firmen der Druckindustrie treffen wird.

Wird der Segen, zwei Druckereien als Schwester-Unternehmen zu haben, für Hatje Cantz damit zum Fluch?

Kulenkampff: Die Fink-Druckerei ist ja ohnehin eine reine Rollenoffset-Druckerei, die Werbekataloge und ähnliches produziert. Wir arbeiten nur mit der Cantz'schen Druckerei zusammen. Natürlich produzieren wir gern und viel bei unserer Schwesterfirma, weil die Kollegen hervorragende Arbeit machen und direkt gegenüber auf anderen Straßenseite sind. Aber einen übertriebenen Vorteil hatten wir dadurch nicht. Wir kooperieren daneben auch mit vielen weiteren Druckereien.

Hoffen Sie jetzt auf einen Investor – nur für den Verlag?

Kulenkampff: Im April 2010 ist der Hauptgesellschafter der Mediengruppe J. Fink gestorben, der Schweizer Unternehmer Arthur Grunder. Seit Herbst führen wir deshalb auf Wunsch der Erben ohnehin schon Gespräche mit potenziellen Investoren. Wir sind da für Hatje Cantz auf einem sehr guten Weg. Durch die Insolvenz wird er jetzt nur um einiges holpriger.

Wen würden Sie sich als Gesellschafter wünschen?

Kulenkampff: Ich kann mir vieles vorstellen, würde mir aber vielleicht einen Investor wünschen, der verlagsaffiner ist als eine Druckerei. Wer bei uns Gesellschafter wird, muss ein Herz für die Kunst haben. Und verstehen, dass auch Bücher über Kunst etwas sehr individuelles sind.

Wie geht es mit dem Frühjahrsprogramm weiter - und mit den Katalog-Vorbereitungen für die documenta 2012?

Kulenkampff: Im Verlag geht alles seinen ganz normalen Gang, zumal es sich ja nur um einen vorläufigen Insolvenzantrag handelt. Die Aufgabe des Stuttgarter Insolvenzverwalters Volker Viniol ist es nun, sicherzustellen, dass der Geschäftsbetrieb möglichst reibungslos weiterläuft. Und das ist der Fall. Gestern haben wir die Kataloge für die Ausstellung „Surreale Dinge" in der Frankfurter Schirn ausgeliefert, die heute eröffnet wird. Und natürlich haben wir all unsere Partner über den vorläufigen Insolvenzantrag informiert, darunter die documenta-Geschäftsführung. Die Reaktionen sind sehr verständnisvoll, sehr unterstützend.

Wie ist die Umsatzentwicklung bei Hatje Cantz?

Kulenkampff: Zufriedenstellend. Wir erwirtschaften zwischen elf und zwölf Millionen Euro pro Jahr – und obwohl das internationale Geschäft krisenbedingt immer noch etwas schleppend läuft, hatten wir im Dezember 2010 in den USA den besten Monat überhaupt.

 

Über Hatje Cantz und die Mediengruppe J. Fink

Der Hatje Cantz Verlag mit Sitz in Ostfildern bei Stuttgart beschäftigt rund 40 Mitarbeiter (inklusive Teilzeitkräften), publiziert Bücher zu Fotografie, Kunst und Architektur und vertreibt sein Programm international. Das Unternehmen hat sich vor allem auf das Geschäft mit Ausstellungskatalogen spezialisiert und ist auch Publikationspartner der nächsten documenta 2012.

Der traditionsreiche Verlag gehört zur Mediengruppe J. Fink, die am vergangenen Dienstag einen vorläufigen Insolvenzantrag beim Amtsgericht in Esslingen gestellt hat. Von der Insolvenz sind fünf weitere Firmen der Gruppe betroffen (rund 370 Mitarbeiter): 

die Holding J. Fink GmbH & Co. KG (Ostfildern)die J. Fink Druckerei GmbH & Co. KG (seit 1875, Rollenoffset, Ostfildern)Dr. Cantz´sche Druckerei GmbH & Co. KG (Bogenoffset, Ostfildern)die Pallino Cross Media GmbH (digitale Dienstleistungen, E-Business, Ostfildern)die J. Fink Rollenoffset West GmbH (Detmold)

Der Zeitschriftenverlag J. Fink Verlag GmbH & Co KG ("Mein Eigenheim", "Wohnen & Leben") ist offenbar nicht von der Insolvenz betroffen.

Zum Insolvenzverwalter ist der Stuttgarter Rechtsanwalt Volker Viniol bestellt worden. Aus der Kanzlei hieß es, man wolle sich erst einmal einen Überblick verschaffen und sich frühestens Anfang nächster Woche über das weitere Vorgehen äußern.