Interview

Bastelbücher unterstützen motorische Fähigkeiten

17. Februar 2011
von Börsenblatt
Was ist schon groß dran an Bastelbüchern, lautet eine landläufige Meinung. Dass sie aber bei der kindlichen Entwicklung wesentliche Fähigkeiten trainieren helfen, scheint wenig bewusst. Frech-Kommunikationsleiter Jürgen Ernst berichtet im Interview, wie räumliches Sehen, Motorik und Sozialkompetenz gefördert werden – Fakten, die auch Sortimenter beim Verkaufsgespräch kennen sollten. 

Inwieweit werden Kinder durch Beschäftigungen wie Basteln, Malen und Handarbeiten auf die Anforderungen der Schule vorbereitet?
Ernst: Dabei werden grundsätzlich kognitive, motorische und kreative Fähigkeiten trainiert. Die vielfältigen Handgriffe und Bewegungsabläufe schulen die Auge-Hand-Koordination, die Feinmotorik und die Beweglichkeit der Hände. Zum Beispiel lässt der Umgang mit Malstiften das Kind mit jedem Strich das Gefühl für Linienführung trainieren – eine gute Vorübung fürs Schreiben. Da dies alles spielerisch abläuft und Spaß macht, handelt es sich hier um ein sehr sanftes Lernen und Vorbereiten auf Schulanforderungen.

Welche manuelle Beschäftigung eignet sich, um logisches Denken und räumliches Sehen zu schulen?
Ernst: Alle Arbeiten, bei denen Kinder vorausdenken und nächste Arbeitsschritte planen müssen, trainieren das logische Denken. Entsteht aus der manuellen Beschäftigung heraus ein plastisches Objekt, wird besonders das räumliche Vorstellungsvermögen erweitert. Prädestiniert dafür ist zum Beispiel die Origami-Technik, bei der sich eine Fläche in einen dreidimensionalen Körper verwandelt. Jede Figur basiert auf geometrischen Grundformen wie Quadrat, Rechteck und Dreieck, die etwa zu Rhomben oder Drachen gefaltet werden. Durch die Flächenbegrenzung und die Raumeinteilung wird das räumliche Sehen trainiert. Außerdem werden die Kinder mit geometrischen Gesetzen, Formen, Winkeln, Dimensionen und Achsen konfrontiert.

Was lernen Kinder, wenn sie gemeinsam basteln?Ernst: Sie bekommen soziale Kompetenzen – es geht darum, sich gegenseitig zu helfen, zurückzustecken, wenn Material nur begrenzt vorhanden ist, zu teilen, aber auch stolz zu sein auf das gemeinsame Ergebnis. Beobachten Sie einmal Kinder beim Basteln: Da wird heftig kommuniziert, diskutiert, gestritten, gelacht, die einen ordnen sich unter, die anderen übernehmen die Führung. Underdogs bekommen hier durch besondere Talente die spielerische Möglichkeit, sich durchzusetzen und andere Rollen zu erleben. Das Basteln – und hier ist das gesamte, vielfältige Spektrum an Techniken und Ideen gemeint – ist eine Schule fürs Leben, die viele subtile Fächer unterrichtet.

Ist kreatives Arbeiten für Stadtkinder noch wichtiger als für die Kinder vom Land?Ernst: Kinder auf dem Land haben es sicher einfacher, wenn sie in der Natur spielen können, die ja ununterbrochen zur Kreativität anregt. Für Stadtkinder kann Basteln einen gewissen Ausgleich bieten, da hier in besonderem Maße eigenen Ideen und Schaffenskräfte mobilisiert werden – auf die der erwachsene Mensch in der Arbeitswelt später dringend angewiesen ist. Wer Kreativität nie richtig kennen gelernt hat, wird später Defizite verspüren.

Ist es im Computerzeitalter schwieriger geworden, Kinder zum Basteln zu bewegen?
Ernst: Die Ablenkung durch alternative Angebote wie elektronisches Spielzeug ist natürlich groß. Wenn es Eltern und Erziehern aber gelingt, die schönen Seiten des Bastelns, etwa den kreativen Schaffensprozess, erlebbar zu machen, können Kinder auch heute ziemlich schnell für manuelle Beschäftigungen gewonnen werden. Bei welcher anderen spielerischen Tätigkeit bekommen Kinder am Ende so leuchtende Augen und platzen fast vor Stolz auf ihre fertige Arbeit?