Kommentar

Plagiate: Die falsche Haltung

23. Februar 2011
von Börsenblatt
Der Fall Guttenberg ist kein zweiter Fall Hegemann – auch wenn in beiden Plagiatsfällen das Urheberrecht verletzt wurde. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.
War es bei Hegemanns "Axolotl" noch vertretbar, über künstlerische Freiheit, literarische Montagetechniken und Intertextualität zu diskutieren, so verbietet sich dies in der Diskussion um Guttenbergs Dissertation. Denn hier wurde in großem Stil – in einer­ Mischung aus Akribie (1 300 Fußnoten) und Schludrigkeit (unausgewiesene Zitate) – ein Text buchstäblich zusammengekleis­tert. Das mag die Mehrheit der ­Bevölkerung entschuldigen, zumal nicht seine Qualifikation als wissenschaftlicher Assistent gefragt war, wie Angela Merkel betont. Aber es muss befremden, wenn einer­ Regierungschefin nicht bewusst ist, dass durch das Verhalten ihres Ministers nicht nur persönliches Ansehen, sondern auch der Ruf der Wissenschaft und der Universitäten beschädigt wird.

Mit dem Bekenntnis zum Wissenschaftsstandort Deutschland und zur "Bildungsrepublik" ist diese Haltung jedenfalls nicht vereinbar. Und sie führt auch die Arbeit der Verlage, die zusammengeklaubtes Material unwissentlich als Qualifikationsschrift verkaufen, ad absurdum. Der Schritt von Duncker & Humblot, den Verkauf des Buchs einzustellen, war zwingend und honorig. Die Hemdsärmeligkeit, mit der in Teilen der Öffentlichkeit über den Fall debattiert wird, zeigt, wie wenig man die Integrität von Wissenschaft und wissenschaftlichem Publizieren schätzt. Das infiziert auch das Wissenssystem selbst.