Bezahlung wäre nett!

3. März 2011
von Börsenblatt
Deutschland im Jahr 2011: Alle Branchen haben begriffen, dass Absolventen der Universitäten wertvolles Leistungskapital in sich tragen. Alle? Nein, eine kleine, aber kulturell wichtige Branche vertritt stur die Ansicht, dass der Gewinn von Wissen und Erfahrung sowieso nicht mit Geld aufzuwiegen ist. Deswegen zahlt sie ihren Nachwuchskräften gleich gar nichts. Eine letzte Reflexion der Redaktion der Marginalglosse.

In einen guten Lebenslauf gehört heutzutage mindestens ein Praktikum, besser noch mehr. Dieses sollte idealerweise mehrere Monate gedauert haben. Das ist wichtig, weil man in einem Praktikum erste Berufserfahrungen sammelt und spannende Dinge lernt. Probleme ergeben sich nur, wenn nicht gleich im Nachbarort ein Verlag sitzt, bei dem der geneigte Student ein Praktikum machen kann. Denn viele Praktika in der Buchbranche werden standardmäßig nicht bezahlt – woher also das Geld nehmen, um für die Dauer des Praktikums in der fremden Stadt Wohnung und Lebensmittel zu bezahlen?

Die Krönung des guten Lebenslaufs ist schließlich ein Einstieg in den Wunschberuf. In der Buchbranche gelingt dies idealerweise über ein Volontariat, das in der Regel ein bis eineinhalb Jahre dauert. Das ist wichtig, weil man auf derartigen Einstiegspositionen Berufserfahrungen sammelt, Kontakte knüpft und bereits ins Unternehmen integriert ist. Probleme ergeben sich nur, wenn man keines findet. Ein Grund dafür ist, dass der Ansturm groß ist. Ein weiterer Grund ist aber auch, dass viele Unternehmen ihren Volontären nur ein prekariäres Gehalt unter 1000 € bezahlen – wie soll ein Volontär mit 500 € monatlich seine Miete und weitere anfallende Kosten in einer Stadt wie München decken?

Romy Fröhlich konstatiert in ihrer Studie „Büchermenschen in Deutschland“ Prekarisierungstendenzen aufgrund einer Zunahme befristeter Arbeitsverhältnisse und eines überdurchschnittlich hohen Anteils an längerfristig beschäftigten Praktikanten und Hospitanzen. Zu großen Teilen sind dafür sinkende Gewinnmargen verantwortlich und auch das Nicht-Steigen der Ladenpreise seit einigen Jahren – aber ist das eine Rechtfertigung, den Nachwuchskräften nicht einmal genug Gehalt für ihr Überleben zu zahlen?

Einsteiger in der Buchbranche haben meist ein geisteswissenschaftliches, teils sogar ein buchwissenschaftliches Studium abgeschlossen. Sie verfügen ergo über analytisches Denken, kritische Reflexionsfähigkeit, konzeptionelle Herangehensweisen, gutes Allgemeinwissen, selbstständige Arbeitsweise, jede Menge Soft Skills, werden aber wie billige Hilfskräfte behandelt. Ein Kuriosum hierbei ist, dass sie sich so behandeln lassen – gerade wir, die wir politisch gebildet und sozial aktiv sind, sollten über derart ausbeuterischen Angeboten stehen und uns gar nicht erst bewerben. Dass wir es trotzdem tun, nutzen viele Arbeitgeber aus.

Es muss jedoch angezweifelt werden, ob sie sich damit einen Gefallen tun – ist wirklich der beste Kandidat für eine Stelle derjenige, der sich gnadenlos unterbezahlen lässt? Oder wäre es der gewesen, der seinen Wunsch vom Traumberuf aufgegeben und die Branche gewechselt hat? Es ist fraglich, ob eine Branche jemals höhere Gewinnmargen einbringen kann, wenn ihr Nachwuchs genauso idealistisch wie die letzten 50 Jahre ans Geschäft herangeht.

Persönliche Anmerkung

Um einmal deutlich zu werden: Wir sind wütend! Wir wollen in diese Branche, aber wir werden uns nicht mit einem Hungerlohn abspeisen lassen! Es ist ein Armutszeugnis, dass gerade diese kulturell tätige Branche den Wert eines gut ausgebildeten Geisteswissenschaftlers nicht erkennt. Ähnlich erschreckend ist, dass niemand wahrhaben will, dass Richtlinien für Mindestlöhne von Praktika und Volontariaten längst überfällig sind.