Interview zu Corporate Publishing

"Ich halte es für sträflich, diese Chancen zu ignorieren"

16. März 2011
von Börsenblatt
Corporate Publishing ist ein Geschäftsfeld, das für Fachverlage durchaus attraktiv sein kann. Damit man keine Bauchlandung macht, muss man das entsprechende Know-how und kompetente Mitarbeiter mitbringen. Interview mit Manfred Hasenbeck, Gründer des Branchenverbands Forum Corporate Publishing und des Corporate-Publishing-Unternehmens BurdaYukom.

Ist Corporate Publishing-Business für jeden Fachverlage eine sinnvolle Option?

Hasenbeck: Definitiv ja. Nach dramatischen Anzeigen- und Auflageneinbrüchen suchen viele Fachverlage derzeit dringend nach neuen Erlösquellen. In neuen Wachstumsfeldern wie Online- oder Mobil-Kommunikation konnte bislang noch kein traditionelles Medienhaus wirklich reüssieren. Die dort erwirtschafteten Gewinne reichen nicht im Ansatz an das klassische Printgeschäft heran. Einer der erfolgversprechendsten Ansatzpunkte für neue Geschäftsmodelle ist deshalb das Feld medialer Dienstleistungen.

Was macht dieses Geschäft denn so attraktiv?

Hasenbeck: Der Corporate-Publishing-Markt mit seinen seit Jahren anhaltenden Wachstumsraten entwickelt für Medienhäuser eine immer höhere Anziehungskraft. Kaum eine andere Mediengattung als der Fachverlag verfügt über bessere Ausgangschancen in diesem Markt. Verlage verfügen über gewachsene Communitys, haben in ihrem Branchenumfeld in der Regel ein gutes Image und hervorragende Kontakte. Unternehmensgröße und fachliches Profil spielen dabei eine völlig untergeordnete Rolle. Ich halte es vielmehr für sträflich, dass viele Verlagsmanager diese Chancen für ein neues Business noch immer ignorieren. Auch der klassische Anzeigenkunde erwartet heute mehr Service von einem Fachverlag als nur das Bedrucken von Papier.

Welche Kompetenzen sollte man mitbringen, um nicht eine Bauchlandung zu machen?

Hasenbeck: Einige Fachverlage sind in den vergangenen Jahren bereits ins Corporate-Publishing-Business eingestiegen, tun sich auf diesem Terrain aber sehr schwer. Der Grund dafür ist, dass sie das Geschäft völlig unterschätzen, manchmal zu arrogant, aber meist sehr unprofessionell vorgehen. Mediale Dienstleistungen unterliegen ganz anderen Gesetzen als das klassische Verlagsgeschäft. Falsche Strategien, unausgegorene Businesskonzepte und der Einsatz der falschen Leute führten nicht selten in teure Abenteuer. Einer der Kernfehler war aber, dass die Verlagsmanager immer glaubten, man könne Corporate Publishing mal so nebenbei abwickeln. Schließlich verfüge man ja über gewachsene Erfahrungen beim Blattmachen und im Anzeigengeschäft. Im Umfeld von Personalreduzierungen griff man dann meist auf die zweite und dritte Garnitur zurück, Leute, die in den Redaktionen und Anzeigenabteilungen sowieso schon auf der Abschussrampe standen.

Wie unterscheiden sich denn die Mitarbeiterprofile im Corporate Publishing von denen im traditionellen Verlagsgeschäft?

Hasenbeck: Wichtig ist es, zumindest die Spitze einer neuen medialen Dienstleistungs-Unit mit einem erfahrenen Corporate-Publishing-Manager zu besetzen. Die Branche ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen und es gibt inzwischen eine Menge guter Profis, die nicht nach dem napoleonischen Prinzip – viel Mann, viel Heer, viel Macht – arbeiten. Entscheidend im Corporate-Publishing-Business ist es, dass die handelnden Personen über gute Netzwerke zu verfügen, um flexibel auf neue Aufträge oder auf abgesprungene Kunden zu reagieren. Wenn ein CP-Macher über ein breites Autoren- und Grafiker-Netzwerk verfügt und ein gutes Team an externen Konzeptoren und Entwicklern an der Hand hat, bleiben  Investitionskosten bei der Erschließung neuer medialer Geschäftsfelder im überschaubaren Rahmen.

Von den Managern nun zu den Mitarbeitern: Was müsse diese denn können?

Hasenbeck: Im Kern unterscheiden sich die Personalstrukturen in den Corporate-Publishing-Units nicht grundsätzlich von denen im Verlag. Wir befinden uns jedoch im Zentrum einer medialen Umwälzung, die uns fast im Monatsrhythmus mit neuen Kommunikationsformen und –kanälen konfrontiert. Ein guter Corporate-Publishing-Mitarbeiter muss diese Trends im Auge haben und verstehen, diese beim Kunden in gesamtheitliche Konzepte einzubinden. Die meisten Corporate-Publishing-Redakteure kommen relativ schnell in eine Objektverantwortung und werden dadurch zu Medienmanagern. Diese müssen mediale Konzeptionen über alle Medienfelder hinweg erstellen können, ein marketingfundierter Gesprächspartner für den Herausgeber sein und obendrein auch noch etwas von Autoren-Networking und Kundenbindung verstehen.

Muss Corporate Publishing heute medienübergreifend organisiert werden?
 
Hasenbeck: Grundsätzlich ja, wenn man nicht schon bei der Akquisition von Neukunden scheitern will. Es geht im Corporate-Publishing-Markt nicht mehr darum, nur ein gutes Kundenmagazin oder eine Mitarbeiterzeitung zu publizieren, sondern um ganzheitliche Medienkonzepte. Moderne und erfolgreiche Corporate-Publishing-Anbieter konzipieren heute für ihre Kunden integrierte Kommunikationsarchitekturen über alle Medienkanäle hinweg. Erfahrungen mit Social Media, iPad und Smartphones sind dabei zurzeit die wichtigsten Hebel für neue Aufträge. Dabei kommt es bei einem Verlag vor allem darauf an, die klassischen Printmedien mit den neuen Systemen und Kanälen sinnvoll zu verknüpfen. Orchestrierte Kommunikationsmodelle zählen derzeit zur absoluten Königsdisziplin. Hier ist aber ein Know-how erforderlich, über das viele Fachverlage in ihren Print-Monokulturen noch nicht verfügen.

Einige der von Ihnen geschilderten Kompetenzen sind in den Verlagen jedoch bereits vorhanden. Warum müssen dann eigentlich neue Corporate-Publishing-Units gegründet werden?

Hasenbeck: Abgesehen von den klassischen Jobs in Redaktion und Grafik bei der Erstellung von Print-Medien unterscheidet sich das Business doch gravierend. Aber auch ein Redakteur muss erst noch das Dienstleistungsgeschäft lernen. Das Corporate-Publishing-Business sauber vom Kerngeschäft des Verlags zu trennen, ist durchaus sinnvoll, da die bestehenden Medienprodukte weiter unabhängig geführt werden können und die Gefahr eines Abdriftens in den Gefälligkeitsjournalismus nicht gegeben ist. Die bestehenden Produkte behalten dann ihre Glaubwürdigkeit. Trotzdem ist es allein aus Kostenaspekten heraus wichtig, die Kompetenzen aus dem klassischen Verlagsgeschäft zu nutzen.

Birgt nicht auch die Gründung einer Corporate-Publishing-Unit nachhaltige Gefahrenpotentiale?

Hasenbeck:  Durchaus. Leider sind sich die meisten Verlage aber dessen nicht bewusst. Obwohl die Margen im medialen Dienstleistungsgeschäft noch immer recht ordentlich sind, gibt es einige Koordinaten, die kriegsentscheidend sind. Hierzu gibt es einen ganzen Fragenkomplex, mit dem sich das Management beschäftigen muss: Wie nutze ich bestehendes Know-how für das neue Dienstleistungsgeschäft? Wie grenze ich traditionelle Medienangebote von der neuen Unit ab oder wie binde ich sie ein? Welche Branche, welcher Kunde passt ins Portfolio? Wie gestaltet man Seitenpreis und Copy-Preis bei der Budgetplanung? Wo liegen Chancen und Grenzen von Refinanzierungsmodellen? Wie müssen die Kreativitätsprozesse bei der Entwicklung medialer Konzepte ablaufen? Wer diese Fragen nicht beantworten kann, wird in aller Regel scheitern.

Die Fragen stellte Michael Roesler-Graichen.

 

Zur Person
Manfred Hasenbeck ist Präsident des Media Forum Europe und berät unter anderem Verlage beim Einstieg in das Geschäft mit medialen Dienstleistungen. Er ist Gründer des Branchenverbands Forum Corporate Publishing und des Corporate-Publishing-Unternehmens BurdaYukom.

Veranstaltungshinweis
Vom 4.–6. Mai leitet Manfred Hasenbeck an der Akademie des deutschen Buchhandels in München das Seminar "Erfolgsstrategien für Fachverlage im Corporate Publishing-Business". Mitglieder der Deutschen Fachpresse erhalten auf dieses Seminar 15 Prozent Rabatt. Anmeldung bei Nadine Domjan-Hauser, Tel. (0)89 / 291953-54, Fax (0)89 / 291953-69, E-Mail: nadine.domjan-hauser@buchakademie.de