Kommentar von Torsten Casimir

libreka! – Der zweifache Lackmustest

13. April 2011
von Börsenblatt
libreka! geht gestärkt aus der Sitzungswoche der Börsenvereinsgremien hervor. Verleger und Buchhändler haben den Machern der Plattform ein Mandat dafür erteilt, das Projekt zu einer bedeutenden Bezugsquelle für E-Books zu entwickeln – einer Quelle für Händler aller Art.

Lange nicht standen die Vertreter dieser beiden Wertschöpfungsstufen des Buchhandels so einmütig hinter der Verbandsinitiative. Die Distributionsplattform hat jetzt realistische Aussichten, in ihre eigene Deklaration hineinzuwachsen und tatsächlich eine "Branchenlösung" zu werden.

Die Meinung findet zunehmend Anhänger, dass die Buchbranche angesichts hohen technologischen Entwicklungstempos, dominanter globaler Wettbewerber und wachsender Marktkomplexität ihre Kräfte bündeln sollte. Kein einzelnes Unternehmen des Buchhandels – und sei es noch so hoch professionalisiert – meistert die Herausforderungen des digitalen Geschäfts optimal aus eigener Kraft. Eine gemeinschaftliche Anstrengung hingegen verspricht Kostenvorteile und verbesserte Zugangschancen zu den neuen Märkten.

Erst die gemeinsame Plattform bringt ein Buch-Angebot von solcher Breite und Exzellenz zustande, dass es den Content-Hunger der Großabnehmer stillen kann. Das Bekenntnis der Verleger zu libreka! wird herausführen aus einem geschlossenen System innerer Reserve: welches die Nachfrage klein hielt, weil das Angebot fehlte; und das Angebot zurückhielt, weil nur wenige nachfragten. Jetzt muss man hinschauen, ob auch wirklich Bestseller und relevante Titel rasch zur Verfügung stehen.

Die Sorge wurde zerstreut, mit libreka! habe der Verband der Branche ihr nächstes Millionengrab geschaufelt. Durchaus nicht zu früh hat MVB-Geschäftsführer Ronald Schild der Öffentlichkeit Zahlen präsentiert, aus denen die Perspektive auf einträgliche Geschäfte überzeugend hervorgeht. Dabei wurde zudem sichtbar, dass das Projekt bereits heute auf einer soliden Finanzierungsbasis steht – getragen im Wesentlichen durch den libreka!-Anteil der von den Verlagen entrichteten Titelmeldegebühr im VLB.

Jetzt kommt ein gravierendes Aber. Für die Mehrheit der Unternehmen im Zwischenbuchhandel ist libreka! eine hoch problematische Veranstaltung. Dieser Sparte wächst hier ein Konkurrent heran. Sie stellt daher in ihrem Fachausschuss – was nur verständlich ist – an die gesamte Konstruktion die Sinnfrage: Darf es sein, dass eine Wirtschaftstochter desjenigen Verbands, in dem die Grossisten Mitglied sind, mit ihrer technologischen Initiative selbst zum Marktteilnehmer und damit zum Wettbewerber wird? Und vermag der Hinweis auf ein Branchengemeinwohl zu begründen, dass dem Zwischenbuchhandel die beschriebenen Nachteile zuzumuten sind?

Dem Verband steht mit libreka! ein zweifacher Lackmustest bevor: Erweisen muss sich nun die händlerische Kompetenz der MVB. Und die Integrationskraft des dreispartigen Börsenvereins. Die Spannung steigt, und mit ihr steigen die Spannungen, seit auch den Taktikern dämmert, dass auf die relative Harmlosigkeit der Unternehmung libreka! kein Verlass mehr ist. Die Positionen wurden deutlich. Verleger-Präses Karl-Peter Winters brachte es gegen Ende des Branchenparlaments letzte Woche auf folgende Formel: "Wir haben den Konsens in der Branche, aber keinen Konsens zwischen den Sparten." Den Satz muss man wirken lassen.