Kochbuchmarkt

"Das verkauft sich wie geschnitten Brot"

28. April 2011
von Börsenblatt
Kochbücher, Kartoffeln, Kaffee: Eigentlich gibt es bei Goldhahn & Sampson in Berlin ganz alltägliche Sachen. Aber dafür von ausgesuchter Qualität. Das Geschäft von Andreas Klöckner und Sascha Rimkus ist ein Tante-Emma-Laden de luxe. Die beiden Inhaber über die Thai-Bibel unter den Kochbüchern, Trends am Herd, Lieblings-Verlage und Hobbit-Winzer.

In der globalisierten Welt guten Essens und Trinkens sind Andreas Klöckner (Jahrgang 1966) und Sascha Rimkus (Jahrgang 1974) ordentlich herumgekommen, bevor sie 2006 am Berliner Helmholtzplatz ihren kulinarischen Themenladen "Goldhahn & Sampson" eröffneten. Klöckner verließ im zarten Alter von 20 die Pfalz Richtung Australien und erlebte in Melbourner Küchen die Verschmelzung von deutschen Kuchenbäckern, englischen Chefköchinnen, laotischen Nudelmacherinnen und pakistanischen Tellerwäschern zu einem neuen Ganzen; Nordlicht Rimkus hätte sich nach jugendlich-leichtsinnigen Experimenten mit Tankstellen-Lambruscos und Kiosk-Kadarkas nicht träumen lassen, das sein Leben einmal ziemlich eng mit Wein verbunden sein würde. Im Geschäft duftet es an diesem sonnigen Frühlingstag lecker nach Andruschko-Kaffee, der nebenan in Kreuzberg frisch geröstet wird, und obwohl Klöckner und Rimkus eben erfahren haben, dass ihr Japanisch-Kochkurs mangels Teilnehmern ausfallen muss (auch eine Folge von Fukushima), sind beide bester Laune.

Menschen aller Altersgruppen, die bei Ihnen zum „Räucherkurs" reinschauen oder sich erklären lassen, wie man selber Karotten-Köfte oder Schokolade herstellt: Kochen, die Küche als Lebensbereich, haben in den letzten Jahren eine ungeheure Aufwertung erfahren. Was ist da passiert?

Andreas Klöckner: Stimmt. Das Essen, Fragen der Ernährung generell sind unheimlich wichtig geworden. Aber es herrscht ein Ungleichgewicht: Auf der einen Seite kaufen die Leute unbeirrt Fertiggerichte, auf der anderen gibt es eine Sehnsucht nach Kochen in der Familie, nach gemeinsamem Essen. Das wird regelrecht zelebriert. Die Leute schauen begeistert Koch-Sendungen im Fernsehen, kaufen sich teure Kochbücher – ob wirklich so viel gekocht wird, wäre noch die Frage. Die Engländer sind uns in Sachen Livestyle jedenfalls wieder mal ein Stück voraus: Einer unserer Twitter-Follower bietet neuerdings einen „Chicken-Keeping"-Kurs an, das kommt garantiert auch bald hier an (lacht).

Glückliche Hühner essen, wie beruhigend. Haben die Engländer auch bei Kochbüchern die Nase vorn? Sie bieten ja auch englischsprachige Titel an...

Klöckner: Aus meiner Sicht – ja. Die Engländer haben sich schneller weiter entwickelt, sehr viele internationale Einflüsse aufgenommen. Die Tatsache, dass London viele Sterne-Restaurants hat, hat viele Leute aus aller Welt angezogen. David Thompson zum Beispiel, der hat vor 12 Jahren in Sidney „Daily Street Thai" eröffnet und ist damit berühmt geworden. Inzwischen bildet er in Bangkok für die thailändische Regierung Köche aus; sein Thai-Restaurant in London ist das erste, das mit einem Michelin-Stern dekoriert wurde. Sein Buch „Thai Food" ist für mich die Bibel schlechthin, das gibt's bei Heyne inzwischen auch auf Deutsch.

Ihre Lieblings-Verlage?

Klöckner: Dorling Kindersley und der Christian Verlag haben für mich die Nase recht weit vorn. Oft verstehe ich nicht, warum Titel ins Deutsche übersetzt werden, da bleibt viel vom ursprünglichen Reiz auf der Strecke. Manchmal ist das Original einfach besser...

Ihr derzeitiges Lieblings-Kochbuch?

Klöckner: »Granatapfel, Sumach und Zitrusduft. Die schönsten Rezepte aus der orientalischen Küche«, geschrieben von Silvena Rowe und im AT Velag erschienen. Das verkauft sich, pardon, wie geschnitten Brot. Und die passenden Gewürze kriegen Sie auch bei uns.

Welche Trends sehen Sie zur Zeit – am Herd und im Bücherregal?

Klöckner: Momentan wird französische Küche enorm nachgefragt – darauf reagieren die Verlage natürlich auch. Man sieht es bei den Restaurants, da gibt es ziemlich viele französische Neueröffnungen. Ich glaube, das hat viel mit der Art der Verwertung zu tun, Ohren, Leber, Milz, das from-tail-to-nose-eating, wie man's in der englischen Küche kennt, ist ja bei den Franzosen enorm beliebt. Das schaukelt sich gerade etwas hoch. Ich wohne in Kreuzberg, da hat im Haus gerade ein Franzose aufgemacht. Vorher gab's da immer nur Türken, die „italienische" Restaurants betrieben. Jetzt funktioniert es. Es ist immer rappelvoll.

Als Buchhändler sind Sie Seiteneinsteiger – wie behalten Sie die Übersicht?

Klöckner: Es gibt mittlerweile nichts, was es nicht gibt. Ohne Internet wüsste ich nicht, wie man so einen Laden führen sollte. Wie hat man das eigentlich vor 20, 30 Jahren gemacht? Immer, wenn ich mich im Netz auf deutschen oder englischsprachigen Blogs herumtreibe, entdecke ich neue Bücher. Viele Tipps kommen von Leuten, die uns auf Twitter folgen, darunter sind auch viele Kochbuch-Autoren. Kunden geben uns im Laden Anregungen. Das sind oft Sachen, die ich nicht übers Barsortiment finde. Etwas kompliziert wird es dadurch, dass wir kein branchenübliches Buchhaltungsprogramm haben. Wir müssen die Gastronomie begleiten, die Weine, die Bücher – da gibt es leider keine All-in-one-Lösung. Wir haben unsere Bücher, rund 1200 Titel sind es über die Jahre geworden, in Google-Listen eingepflegt. Das habe ich im Griff.

Welche Auswirkungen hat die soziale Veränderung im Viertel auf ihr Geschäft? Für die Bewohner des Prenzlauer Bergs ist ja das schöne Wort von der „Bionade-Bohème" in Umlauf...

Klöckner: Im Moment wird hier gerade ein Penthouse aufs Dach gesetzt (lacht); als wir anfingen, sah das alles noch etwas anders aus. Aber im Ernst: Das, was man gern „Gentrifizierung" nennt, passiert heute überall auf der Welt, das habe ich auch in Australien erlebt. Vor uns war hier im Laden eine Arthouse-Videothek drin – haben wir sie verdrängt? Wir haben uns damals lange Gedanken darüber gemacht. Irgendwann wird jemand kommen, der hier noch mehr Miete zahlen kann – man sieht das in der Alten Schönhauser, wo unsere Quasi-Konkurrenz „Kochlust" ausziehen musste. Da gibt es nur noch Mode, Schmuck und etwas Gastro. Hier sind wir mitten im Wohngebiet, da sehe ich so eine krasse Entwicklung noch nicht. Aber die Apotheke drüben an der Ecke hat gerade eine saftige Mieterhöhung bekommen...

Dann lassen Sie uns lieber über etwas Schönes reden. Herr Rimkus, wie ist es zu Ihrer Wein-Leidenschaft gekommen?

Rimkus: Das hat ziemlich lange gedauert, weil ich ursprünglich von der Nordseeküste stamme. Und da sieht es ja in punkto Wein eher trübe aus. Inzwischen gibt es Weingärten in Plön und einen Feldversuch auf Sylt, letzteres ist wohl eher ein Marketing-Gag. Aber das Sylter Publikum wird sich die Riesling-Flasche zu 25 Euro schon leisten können (lacht). Angefixt wurde ich mit 17, 18, bei einer Reise ins Elsass. Da war gerade Weinlese – und seitdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen.

Was für Flaschen stehen bei Goldhahn & Sampson in den Regalen?

Rimkus: Wir bieten Weine von rund 60 Winzern an, hauptsächlich aus Deutschland, plus Österreich und Frankreich. Für mehr reicht leider der Platz nicht. Als wir vor fünf Jahren anfingen, haben wir ausschließlich deutschen Wein verkauft. Leute, die sich im Business auskennen, haben uns für verrückt erklärt. Silvaner, Riesling, Weißburgunder – OK. Aber deutscher Rotwein? Da ist in den letzten Jahren gigantisches passiert.

Auch bei der Weinliteratur?

Rimkus: So richtig happy bin ich, ehrlich gesagt, nicht. Stuart Pigott schätze ich sehr, von ihm lese ich alles – und das nicht nur, weil er Kunde von uns ist. Darüber hinaus mag ich eine Handvoll englischer Autoren, die essayistischen Bücher von Hugh Johnson etwa oder Jancis Robinson. Die meisten deutschsprachigen Weinbücher sind mir, unter uns gesagt, oft etwas zu langweilig. Entweder zu technisch – oder sie schauen nicht weit genug über den Tellerrand. Und dazu meist etwas... Na ja, onkelhaft. Da haben die Angelsachsen einen anderen Drive.

Haben Sie selbst eine Parzelle?

Rimkus: Nein. Aber ich sollte wohl besser sagen: noch nicht! Das reizt mich schon sehr, gerade, weil ich inzwischen Winzer an der Mosel kenne, bei denen das geht. Es gibt in Traben-Trarbach den „Klitzekleinen Ring" – als Parodie auf den Bernkasteler Ring – da sind engagierte Hobby-Winzer am Start, die sich selbst „Hobbits" nennen. Die kommen aus allen Ecken Deutschlands, meist Großstädter vorgerückter Jahrgänge, die sich da einen Traum erfüllen und auf Kleinstparzellen ihren eigenen Wein anbauen. Die füllen ihre 200, 300 Flaschen pro Jahr ab, verschenken die an Freunde oder trinken sie selbst. Das muss einen Heidenspaß machen.

Den scheinen Sie hier am Berliner Helmholtzplatz auch zu haben. Das Hobby zum Beruf machen – was oft wie ein auch ziemlich onkelhaftes Klischee klingt, scheint bei Ihnen zuzutreffen, oder?

Rimkus: Kein Dementi. Wir beschäftigen uns sieben Tage die Woche mit Sachen, die uns Freude machen. Stück für Stück hat es einen Punkt erreicht, wo wir sagen: OK, so haben wir uns das vorgestellt.

Mehr über Goldhahn & Sampson und viele weitere kulinarische Themen lesen im aktuellen Börsenblatt-Extra "Essen & Trinken" (Heft 17).