Essen & Trinken

Stuart Pigott: "Für junge Winzer ist Wein ein Teil der Popkultur"

29. April 2011
von Börsenblatt
Weinkritiker Stuart Pigott ist Brite, lebt in Berlin und widmet sich als Autor und Kolumnist schwungvoll und unkonventionell dem deutschen Wein. Im Interview mit boersenblatt.net erklärt er das „Weinwunder Deutschland“ – und kündigt den Start seines neuen Weinportals an.

Warum heißt Ihr aktuelles Buch bei Tre Torri „Weinwunder Deutschland"? Gab es denn bis zur wundersamen Qualitätsverbesserung nur schlechte deutsche Weine? Pigott: In punkto Weinqualität ist in den letzten Jahrzehnten wirklich ein wahres Wunder passiert. Klar gab es, eine Winzergeneration zurückgerechnet, in Deutschland gute Weine, aber sie waren fast alle edelsüß und ihre Anzahl gering. Vor allem beim Rotwein hat lange kaum jemand ein gutes deutsches Produkt erwartet. Hier hat sich eine richtige Revolution vollzogen.

Was zeichnet die neuen deutschen Winzer aus? Pigott: Vor allem Kreativität! Diese Winzer betrachten Weinbau als eine schöpferische Tätigkeit, die tendenziell unbegrenzte Möglichkeiten bietet. Ganz klar: Für sie ist Wein ein Teil der Pop-Kultur.

Welche Rolle spielt Biowein in Deutschland? Pigott: In den letzten Jahren hat der Bio-Wein hierzulande beträchtliche Bedeutung erlangt. Interessant ist aber, dass viele Spitzenweingüter auf Bio umstellen, ohne es auf dem Etikett zu vermerken. Es passiert also auch eine stille Revolution, deren erstes Prinzip Nachhaltigkeit ist.

Was unterscheidet die deutsche Weinkultur von klassischen Weinländern wie Frankreich und Italien? Pigott: Die Weine der romanischen Länder werden immer zum Essen getrunken. Im deutschsprachigen Raum gibt es hingegen eine lange Tradition, Weine auch ohne Essen zu genießen. Und diese Tradition hat das Weintrinken heute zu einer Art Party-Erlebnis gemacht.

Welche Anbaugebiete sind momentan in Deutschland besonders innovativ? Pigott: Weinregionen wie Baden waren ja schon vor 20 Jahren relativ weit entwickelt. Drastisch unterschätzt werden Gebiete wie Franken und der „ehemalige Osten". Von dort kommen vor allem großartige trockene Weißweine.

Wenn der deutsche Wein so boomt – kann sich der Buchhandel dann auf viele neue Bücher über heimische Tropfen einstellen? Pigott: Es wird immer erstklassig gemachte und interessante Publikationen rund um den Wein geben, auch über die deutschen Weinbaugebiete. Allerdings ist das Internet hier einfach der schnellere Kommunikationsweg. Deswegen sollte es uns nicht überraschen, dass das Netz Weinbücher zum Teil ersetzen wird. Ich selbst bin auch online aktiv. Am 17. Mai geht mein Portal www.weinhier.de online. Es wird sich einzig und allein dem Wein aus dem deutschsprachigen Raum widmen und eine Mischung aus Social Networking und Informationen für die Weinszene bieten.

Mehr zum Thema Wein im aktuellen Börsenblatt-Extra Essen & Trinken (Heft 17).