Publishers’ Forum in Berlin

»Den Nutzer zum Autor machen«

3. Mai 2011
von Börsenblatt
Was geschieht eigentlich im »Social Web«? Die Antwort, die Ulrich Hermann auf dem Publishers’ Forum von Klopotek gab, könnte die dort hochrangig versammelte Branche leicht erschreckt haben: »Faktisch wird im Web 3.0 Verlagsgeschäft betrieben«, so die Ausgangsthese des Wolters Kluwer-Geschäftsführers – also Inhalt generiert und zugänglich gemacht. Massenhaft und gratis. Konsequente Frage des Verlagsmanagers: »Wo bleibt da unser Geschäft?

Hermann war freilich nicht ohne einen Vorschlag in das architektonisch schicke Berliner Axica-Kongresszentrum am Brandenburger Tor gekommen. Seine strategische Antwort auf die Herausforderung künftigen Geschäfts mit Content: »Wertschöpfung entsteht durch das Management und die Montage von Wissen.« Hier bietet das Social Web aus Sicht des Deutschland-Chefs von Wolters Kluwer gute Voraussetzungen. Denn nicht mehr die Erstellung eines Inhalts sei – wie bisher – das primäre Ziel im Verlagsbusiness, sondern die Schaffung eines Kontextes.

Kontextbezug wiederum lasse sich, zumal im Fachverlagsbereich, am besten herstellen, »wenn man den Nutzer zum Autor machen kann«, so Hermann. Kontextbezug und Personalisierung der Informationen sind aus seiner Sicht »die entscheidenden neuen Differenzierer in den Geschäftsmodellen der Fachverlage«. In seinem Hause entferne man sich immer mehr von der Denkweise, »dass alles vom Verlag selbst kommen muss. Wir wollen vielmehr Plattform sein.«

In fünf Thesen zur digitalen Transformation der Verlagswelt skizzierte anschließend der Geschäftsführer der HGV Hanseatische Gesellschaft für Verlagsservice, Johann Kempe, die nähere Zukunft der Branche. Für zwei bisher unentbehrliche Stufen entlang der Wertschöpfungskette Buch wird es Kempe zufolge enger. »Die Lieferanten geraten unter Druck«, prognostiziert der HGV-Chef. Bei vermuteten 15 bis 20 Prozent Marktanteil für E-Books im Jahr 2015 würden Druckaufträge massiv zurückgehen, Lagerkapazitäten in erheblichem Umfang frei werden – mit der Folge steigenden Verdrängungswettbewerbs. Kempe sagte den Zulieferern Umsatzeinbußen von bis zu zehn Prozent voraus.

Auch dem traditionellen Buchhandel stellt der IT-Stratege der Verlagsgruppe Holtzbrinck eine wenig günstige Prognose. Das stationäre Sortiment sieht er »weiter an Bedeutung verlieren«, weil es versäumt habe, dem seit Jahren dynamisch wachsenden Online-Buchhandel etwas entgegenzusetzen. Der Buchkunde des Jahres 2015 ist für Kempe einer, der zunehmend elektronisch liest. »Always on.«

Text: Torsten Casimir