Kommentar von Tamara Weise

Alles offen

8. Juni 2011
von Börsenblatt
Der Club Bertelsmann wird für alle geöffnet. Ab Juli kann in den Club-Filialen jeder einkaufen, der will – frei von jeglicher Club-Bindung. Und die Minikette Zeilenreich tritt an Standorten in guter Lauflage an die Stelle der Club-Filialen. Ein Kommentar zu den Chancen der neuen Strategie.
Der Club Bertelsmann wirkte in den vergangenen Jahren oft wie ein müder Krieger, der zu heroischen Gesten zwar nicht mehr in der Lage ist, dafür aber glanzvolle Geschichten zu erzählen weiß – Geschichten von damals. Um ihn wieder aufzurichten, hat die Direct Group Germany schon manches versucht und tut es nun auf ein Neues: Nach außen, also gegenüber Kunden, reißt das Unternehmen seine Grenzen ein – während nach innen gerade das gute, alte Rabattsystem zementiert wird. Die Club-Idee ist nicht am Ende, lautet die Botschaft. Sondern blüht neu auf. An 60 Standorten verändert der Club sogar sein Aussehen und seinen Namen. Statt in Rot und Weiß werden die Läden demnächst in Pink-Lila-Orange leuchten – den Farben der 2009 entwickelten Vertriebsmarke Zeilenreich. Nichts soll hier in der schicken Umgebung mehr an den Club Bertelsmann erinnern, noch nicht einmal die Bonus-Bücher (von den Covern der Lizenzausgaben wurde der Club längst getilgt).  

Strategisch gesehen dürfte sich die Öffnungsoffensive des Jahres 2011 – eine Form moderner Markenpolitik – als kluge Entscheidung erweisen. Mutig ist sie sowieso, denn mit neuen Chancen entstehen auch neue Risiken: Wo Club und Zeilenreich jetzt hinwollen, sind andere schon am Werk. Verspüren die Deutschen tatsächlich Sehnsucht nach einem derart zugespitzten Boulevardsortiment, nach einem Mix aus aktuellen Bestsellern und U--Literatur? Reicht das, um sie vom traditionellen Buchhandel wegzulocken? Und wie wichtig ist das Preisargument dabei noch? Alles offen. So, wie jetzt der Club.

Mehr dazu im Artikel "Eine Idee, zwei Namen" im Börsenblatt (Heft 23, Seite 21), das am kommenden Donnerstag erscheint.