Interview: Christian Sprang

"Man muss das im Einzelfall prüfen"

22. Juni 2011
von Börsenblatt
Hebelt das neue Zeilenreich-Konzept den festen Ladenpreis für Bücher aus? Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang beschreibt die Rechtslage.

Die DirectGroup Germany führt ab 1. Juli in ihren Zeilenreich- und Club-Filialen das Konzept „ein Buch, zwei Preise“ ein. Wird damit nicht der feste Ladenpreis für Bücher unterlaufen?

Nach dem Preisbindungsgesetz sind unter bestimmten Bedingungen unterschiedliche Preise für einen Titel erlaubt: zum Beispiel für -institutionelle Kunden, für Mitglieder von Buchgemeinschaften, bei Mengen- oder Serienabnahmen oder bei der Subskription. Zwei Preise für ein Buch sind also per se kein Verstoß gegen das Gesetz, aber die gesetzlichen Voraussetzungen dafür müssen strengstens beachtet werden.

Gelten die im Potsdamer Protokoll festgelegten Kriterien für Buchgemeinschaftsausgaben – Zeitabstand, andere Ausstattung, Preisunterschied, Mitgliedsbindung – auch für das Zeilenreich-Konzept?

Formal betrachtet haben die Potsdamer Kriterien mit der Ablösung des Sammelreverses durch das Preisbindungsgesetz 2002 ihre direkte Geltung verloren. An ihre Stelle ist die allgemeine Regelung des Paragrafen 5 Abs. 5 Buchpreisbindungsgesetz getreten. Allerdings hat sich die DirectGroup im Jahre 2004 im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs mit den Preisbindungstreuhändern verpflichtet, trotz dieser Veränderung des rechtlichen Rahmens weiter das Potsdamer Protokoll zu beachten. Im Übrigen galt auch bisher schon, dass nicht alle vier Potsdamer Kriterien gleichzeitig und in gleichem Maße erfüllt sein müssen. Es kommt vielmehr immer auf eine Gesamtbetrachtung im konkreten Einzelfall an – wobei die Kriterien ein System kommunizierender Röhren bilden, sodass zum Beispiel bei kleinem Zeitabstand, geringen Ausstattungsunterschieden und einer schwach ausgeprägten Mitgliedsbindung auch kein nennenswerter Preisunterschied möglich ist.

Sehen Sie denn einen Anlass zur Prüfung?

Durchaus. Wenn, wie angekündigt, Lizenzausgaben an Stammkunden mit 25 Prozent Nachlass abgegeben werden, muss man etwa prüfen, wie stark die Mitgliedsbindung noch ist. Nach den neuen Regeln der DirectGroup genügt ja der Kauf von zwei Artikeln im Jahr, um in den Genuss einer „Vorteilscard“ zu kommen.

Verstoßen der Slogan »ein Buch, zwei Preise« und die an Kundenbindungssysteme erinnernden Vokabeln „Stammkunde“, „Vorteilscard“ und „Rabatt“ nicht gegen den Geist der Preisbindung?

Das ist keine Frage des Preisbindungs-, sondern des Wettbewerbsrechts. Es ist zu prüfen, ob die verwendeten Termini den Verbraucher in die Irre führen können. In diese Prüfung werden wir die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs einschalten. Ob diese die fragliche Werbung beanstanden und gegen sie vorgehen wird, muss man abwarten