Kommentar

Harry Google

28. Juli 2011
von Börsenblatt
"Harry-Potter"-Fans haben künftig nur eine Adresse, über die sie die Abenteuer des Zauberlehrlings als E-Book beziehen können: Pottermore.com. Und wer sorgt für den Verkauf? Google mit seiner eBooks-Technologie. Stoff für einen Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.

Als Joanne K. Rowling bekannt gab, die elektronischen Ver­sionen ihres "Harry Potter"-Zyklus nur über die Plattform Pottermore.com zu verkaufen, machte sich ein gewisser Unmut breit – bei den Verlagen weniger, weil sie mit einer gewissen finanziellen Beteiligung rechnen können, beim Buchhandel mehr, weil das Geschäft völlig an ihm vorbeigeht.

Dass die Herrin über Hogwarts nun Google als Hauselfen anheuert, um die Potter-E-Books unter das Muggelvolk zu bringen, setzt dem Ganzen allerdings die Krone auf. Denn mit Google holt sich Rowling einen Monopolisten ins Haus, der in einzigartiger Weise dazu geeignet ist, ihre Ausnahmestellung auch im digitalen Buchgeschäft zu festigen. Google hat nach Facebook eine der höchsten Zugriffsraten im Netz und verfügt über eine E-Book-Technologie, die weltweites Lesen auf allen denkbaren Endgeräten und in allen Sprachen ermöglicht. Deshalb wird das Angebot, das vorerst nur für die USA bestimmt ist, über kurz oder lang auch in anderen Ländern angeboten werden.

Die Mitbewerber – allen voran Amazon – werden nicht tatenlos zusehen, am Ende aber vielleicht doch leer ausgehen. Was das Beispiel Rowling allerdings vermittelt: eine Vorahnung davon, wie Bestsellerproduktion und -marketing im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert aussehen werden. Es wird – auch bei der Printdistribution – ein globales Geschäft sein, das Autoren mit Agenten und Multimedia-Agenturen gemeinsam bestreiten. Eine Buchwelt, in der klassische Verlage teilweise nur noch Nischen bewohnen werden.