Kommentar

Die Braut ist recht hübsch

23. November 2011
von Börsenblatt
Die Verlagsgruppe Weltbild soll verkauft werden, und das schnellstmöglich. So der Beschluss der Gesellschafter Anfang dieser Woche. So rasch wird das nichts, es sei denn als Notverkauf, meint Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir.

Sex sells. Weltbild bekommt die alte Marketing-Binse auf eine katholisch gesteigerte Weise zu spüren: In Augsburg fördert Sex nicht bloß den Verkauf eines Produkts, sondern die Veräußerung gleich der ganzen Firma. Die Bischöfe wollen nicht länger Eigentümer des Medienhändlers bleiben, dessen Angebotsbreite zu Teilen immer stärker auf Kollisionskurs mit den ideellen Zielen des Gesellschafters lag. Hämische Berichte über das angeblich florierende Geschäft "der Kirche" mit Erotika (eine doch arge Übertreibung der wirtschaftlichen Wirklichkeit) haben die Geistlichen, die jahrelang ebenso end- wie folgenlos das Thema diskutierten, schließlich zum Handeln getrieben.

Rückblickend wird daran nicht bemerkenswert bleiben, in welch scharfen Tönen die Gesellschafter nun zur Eile drängen, sondern wie lange es gedauert hat, bis ihnen der Geduldsfaden riss. Wer neben der Bibel gelegentlich auch Zeitungen zur Lektüre heranzieht, hätte über das Sortiment des Hauses nicht erst seit dem Herbst 2011 im Vollbild sein können. Aber sei’s drum – nur eine weitere Merkwürdigkeit in der an Kuriositäten reichen Kommunikationsgeschichte dieser Weltorganisation.

Für den Buchhandel sind andere Fragen weitaus interessanter: Was wird jetzt aus dem Konzern? Wer kommt als Käufer infrage und zum Zug? Kann die Wertschöpfung, die die Weltbild-Gruppe heute für das Buch leistet, voll erhalten bleiben? Oder muss der herstellende Handel bangen, dass ein wichtiger Partner am Ende zerschlagen und ein Absatzkanal schwer beschädigt wird?

So dramatisch eine Zeile wie "Weltbild for sale" auch klingen mag: Der Erregungszustand, den sie auslöst, dürfte rasch abklingen. Die Braut muss sich nicht schmücken; sie ist bereits recht hübsch. Carel Halff und sein Management-Team haben die Verlagsgruppe in den vergangenen, von harter Konsolidierung geprägten Jahren gut aufgestellt. Insbesondere die Entwicklung des Online-Buchgeschäfts zur Nummer zwei hinter Amazon dürfte Investoren (auch solche aus der Branche) interessieren, ebenso die starke Position der Augsburger im Versandhandel. Auch die Marke Hugendubel zeigt sich in verbesserter Verfassung. Die Gerüchteküche von 2008 über mögliche Käufer brodelt bereits wieder: Bertelsmann, Holtzbrinck, Thalia, Burda. Nicht sehr originell.

Als Hindernis auf dem Weg zu einem angemessenen Verkauf der Gruppe könnte sich allerdings das angespannte Verhältnis zwischen den Noch-Gesellschaftern und der Geschäftsführung erweisen. Im Vierzehn-Tage-Takt müssen die Manager dem Aufsichtsrat Bericht erstatten; das ist Kontrolle quasi in Echtzeit. Was den Verkaufsprozess anlangt, wurde quartalsweise Rapport an die Kirche befohlen, schriftlicher und mündlicher. Die Vertrauensbasis war schon stabiler.

Mit der harschen Art, Beschlüsse zu formulieren, sind die Bischöfe ihrem erklärten Ziel, das leidige Thema schnell zu beenden, nicht nähergekommen. So rasch wird das nichts, es sei denn als Notverkauf. Dafür aber steht keiner wie Carel Halff. Solange er steht.

Lesen Sie dazu auch den Bericht und das Interview mit Carel Halff im nächsten Börsenblatt (Heft 47, S. 18 f.).