Kindermedienkongress in München

Digitale Bücher stärken den Trend zum Wälzer

23. November 2011
von Börsenblatt
Warum Kinder nicht lesen können (und Erwachsene auch nicht) – der Titel von Joerg Pfuhls Key Note zum 2. Kindermedienkongress der Akademie des Deutschen Buchhandels in München war keineswegs ironisch gemeint. Der Random House-CEO und Vorstandsvorsitzende der Stiftung Lesen erklärte die Brisanz des funktionalen Analphabetismus` und brachte Erkenntnisse über das Leseförder-Potenzial von E-Readern mit.

Mehr als sieben Millionen Erwachsene in Deutschland – deutlich mehr Männer als Frauen – haben ein defizitäres Textverständnis. Das habe nicht nur eine wirtschaftliche, sondern vor allem auch eine gesellschaftspolitische Relevanz. Denn wer nicht lesen und schreiben könne, kaufe keine Bücher, was in Deutschland ohnehin nur 50 Prozent der Erwachsenen tun. Wie erreicht man die andere Hälfte?, fragte Pfuhl und schloss nicht aus, dass E-Books & Co. potenzielle Leserschichten vor allem beim Nachwuchs mobilisieren können. Aber auch die Schwellenangst vor dem Buchhandel könne via Downloads überwunden werden. Für die Verlagsgruppe Random House, die seit etwa zehn Jahren E-Books anbietet, war im vergangenen Jahr der i-Store wichtigster Vertriebskanal für digitale Bücher.

Eine noch unveröffentlichte Studie der Stiftung Lesen zum Potenzial von E-Readern in der Leseförderung untersucht die Attraktivität des aktuellen elektronischen Leseangebots für Kinder. Kann man mit digitalen Büchern das Image vom Lesen positiv beeinflussen? Wie wirkt sich die E-Reader-Technik auf die Auswahl von Büchern aus? Wie kann Leseförderung mit E-Readern und Tablets verstärkt werden? In fünf Schulklassen aus verschiedenen Schulen im Rhein-Main-Gebiet wurden jeweils vier Untersuchungsgruppen gebildet:

  • Print: Klassenbibliothek mit 95 Titeln à 3 Exemplaren im Regal
  • Digital: Ausstattung mit E-Readern, Zugriff auf Webseite
  • Print und Digital: Kombination der beiden erstgenannten Gruppen
  • Kontrollgruppe: keine Leseanreize

Schon die ersten Ergebnisse sind bemerkenswert. So hat beispielsweise der Vergleich von den auf E-Readern kopierten E-Books und aus dem Regal entliehenen Büchern gezeigt, dass die Zurückhaltung der jungen Leser, mit der Lektüre eines „dicken Buches“ zu beginnen, bei E-Books entfällt.

Auf die Vernetzung innerhalb der Medien hatte zu Beginn des zweiten Kindermedienkongresses Bernd Zanetti, Geschäftsführer der Akademie des Deutschen Buchhandels, das Augenmerk der Zuhörer gelenkt und damit den roten Faden der Tagung bestimmt. Moderator Axel Dammler, Geschäftsführer von iconkids & youth, wies auf die sich wiederholenden Zyklen bei der Einführung neuer Medien hin und erinnerte an „Second Life“: Euphorie, Aktionismus, Resignation und – falls eine Idee nicht ganz floppt – schließlich Pragmatismus. Dammler riet den Verlagen in der aktuellen Phase der Marktentwicklung von Tablet-PCs zu „sinnvollem Aktionismus“. Wesentlich sei es, den Mehrwert und die Zielgruppen von Apps immer Auge zu behalten. Aber wozu aktiv werden und den Nutzen bedenken, wenn das Angebot von Bücher-Apps jetzt schon größer ist als die Nachfrage? Im Moment, so wurde deutlich, scheinen die Hoffnungen vor allem auf der prognostizierten raschen Verbreitung der Hardware zu ruhen.