Interview zum Extra Sachbuch

"Eine Schnittmenge aus Individualisten, Globalisierungsgegnern und ökologisch Bewussten"

24. November 2011
von Börsenblatt
Das urbane Publikum fährt heute stylische Fahrräder, kauft Bioprodukte, bezieht Strom aus erneuerbaren Energien und sympathisiert vielleicht mit "Occupy". Es ist die Zielgruppe von John Cohens und Daniela Doberniggs Buchhandlung in Hamburg-St. Pauli. Und für John Cohen ein Grund, besonders viele Titel zum Thema Nachhaltigkeit zu präsentieren.

Warum räumen Sie dem Thema "Nachhaltigkeit" so einen großen Platz in Ihrem Sortiment ein?
Wir merken schon seit Längerem, dass Nachhaltigkeit kein Exotenthema mehr ist. Die Verlage bieten eine spannende Bandbreite dazu an, die auf – teilweise unerwartet - gute Resonanz trifft. Oft sind Kunden erstaunt, wenn Sie bei uns sehen, was es alles zum Thema gibt. Als wir in diesem Jahr unseren Bücherstand für die Nachhaltigkeits-Messe goodgoods vorbereitet haben, waren wir selbst erstaunt, wie schnell wir 80 Titel zum Thema zusammenhatten.

Obwohl man Nachhaltigkeit als einen Ihrer Schwerpunkte bezeichnen kann, gibt es kein Regal mit der entsprechenden Beschriftung …
Nachhaltigkeit ist ein Thema, das alle Lebensbereiche durchdringt. Das spiegelt sich in den Büchern wider und zieht sich quer durch alle Abteilungen, vom "Design" über das "Zeitgeschehen" bis zum Kochbuch oder Kinderbuch. Weil wir es gut und wichtig finden, achten wir ganz bewusst auf neue Titel zum Thema und ordnen sie den jeweiligen Bereichen zu – eine ganz klassische Sortimenterarbeit. Mit unserer Titelauswahl treffen wir oft den Nerv der Zielgruppe.

Wie definieren Sie diese Zielgruppe?
Zu uns kommt ein eher junges, urbanes Publikum, das offen für das Thema ist und sich gerne inspirieren lässt. Eine Schnittmenge aus Individualisten, Globalisierungsgegnern und ökologisch Bewussten. Hier im Viertel kann man zum Beispiel sehr schön beobachten, wie sich die Einstellung zum Thema Mobilität verändert hat: Das Auto ist kein Statussymbol mehr, stattdessen versucht man sich über sein speziell gestyltes und designtes Fahrrad abzuheben. Der Trend geht dahin, dass man mehr auf Qualität achtet, sich bewusst etwas Gutes gönnt und zum Beispiel mehr Bio-Produkte kauft oder etwas selber macht. Man definiert Glück weniger über Konsum.

Hat die Art und Weise, wie sich das Thema wie ein roter Faden durchs Sortiment zieht, auch etwas mit Ihrem persönlichen Lebensgefühl zu tun?
Ja, es ist uns eine Herzensangelegenheit. Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten gesellschaftlichen Themen, denn es geht um unsere Existenz. Nur wenn sich unser Verhalten ändert, kann es weitergehen. Für uns als Buchhandlung ist es zum Beispiel eine Selbstverständlichkeit, unseren Strom von Greenpeace Energy zu beziehen, Fair Trade-Kaffee einzukaufen und so wenige Plastiktüten wie möglich herauszugeben.

Wird das Interesse in absehbarer Zeit abflauen? Ist bald alles zum Thema Nachhaltigkeit gesagt und geschrieben?
Natürlich ist es in Teilen auch ein Modethema. Aber es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden, sodass uns das Thema in den nächsten Jahrzehnten nicht loslassen wird. Es wird weiter von der Politik, der Gesellschaft und der Technologie vorangebracht werden.

Interview: Christina Busse


Mehr zu Nachhaltigkeit und weiteren Themen lesen Sie im Extra Sachbuch des Börsenblatts (Ausgabe 47 / 2011).

 

Die Buchhandlung Cohen + Dobernigg wurde im Jahr 2002 von John Cohen und Daniela Dobernigg in Hamburg-St. Pauli gegründet. In modernem Ambiente findet sich auf 140 Quadratmetern ein allgemeines Sortiment mit Schwerpunkten Belletristik, Kultur und Design.