Soiree für Günter de Bruyn und S. Fischer im Schloss Bellevue

„Dichter der intensiven Erinnerung“

25. November 2011
von Börsenblatt
Um diejenigen „nicht ins Unrecht zu setzen“, die ihn gern einen Stillen im Lande nennen, wolle er an diesem Abend „wortkarg bleiben“. Mit seinem für ihn selbst so typischen Versprechen schlug Günter de Bruyn am Donnerstag im Schloss Bellevue gleich eingangs den Ton an, der sich durch die gesamte literarisch-musikalische Soiree zu seinen Ehren ziehen sollte: ein Programm in wohltuender Beschränkung. Leise und konzentriert. Wie das Werk des Autors, der am 1. November dieses Jahres 85 geworden ist.

Noch vor de Bruyns Worten an die, die ihn in Berlin feiern wollten, hatte Bundespräsident Christian Wulff seine Freude über die große, aus Verlegern, Buchhändlern und vielen Kultur- und Medienschaffenden sich zusammensetzende Gästeschar geäußert. So erweise sich „die Kulturnation Deutschland als ständig erfahrbare Realität“, stellte Wulff fest – und nicht bloß als eine gelegentlich auch von Bundespräsidenten gern benutzte Beschwörungsformel für nationale Zustände, die man sich stärker ausgeprägt wünschte.

Der Schlossherr würdigte de Bruyn als einen „Dichter der intensiven Erinnerung“, der auch in 40 Jahren DDR-Geschichte „nie ein Staatskünstler geworden“ sei. „Unverbiegbar und unverbogen“ habe dieser Autor zwei deutsche Diktaturen durchgestanden.

Von solcher Art unkorrumpierbarem Eigensinn war im anschließenden literarisch-musikalischen Programm einiges zu hören und zu spüren – ein umfangreiches schriftstellerisches Werk quasi in Short Cuts. De Bruyns Verlegerin Monika Schoeller, deren Haus ja ebenfalls am Ende eines Jubiläumsjahres steht (125 Jahre S. Fischer) las zunächst aus einem noch nicht veröffentlichten Manuskript, das 2012 erscheinen soll: „Gräfin Elisa“. 

Die Theaterschauspielerin Maren Eggert, einem breiten Publikum als Psychologin Frieda Jung aus dem Kieler „Tatort“ in bester Erinnerung, trug aus „Die Zeit der schweren Not“ (2010) einen Text vor, dessen zugrunde liegendes Geschehen zuletzt zahlreichen Versuchen der Enträtselung ausgesetzt war: Tod am Wannsee – das Ende Heinrich von Kleists und seiner Freundin Henriette Vogel am 21. November 1811.

Der große Schauspieler Burghart Klaußner hatte einen Abschnitt aus de Bruyns zweitem Teil der Autobiographie mitgebracht („Vierzig Jahre“, 1996), der sich mit dem 13. August 1961, dem Beginn des Berliner Mauerbaus befasst. Damals ereignete sich die „Wandlung des Alptraums in Realität“, wie es im Text heißt, und daraus hervor ging die Frage, wie ein Mensch freien Geistes als Eingesperrter überhaupt leben kann.

Spätestens an dieser Stelle leuchtete der Festversammlung in Bellevue ein, was Günter de Bruyn eingangs gemeint hatte, als er im Rückblick auf 1989 für sich festhielt: „Das Leben ist seitdem, wenn auch nicht glücklicher, so doch freier geworden – jedenfalls für einen, der doch das Bücherschreiben nicht lassen kann.“