Kommentar

Klare Richtung, trübe Sicht

1. Dezember 2011
von Börsenblatt
Der Online-Buchhändler Libri.de meldete jüngst, dass im Oktober 2011 E-Books erstmals das absatzstärkste Format auf der eigenen Plattform gewesen sind. Trotzdem bleiben zahlreiche Fragen zum E-Book-Markt in Deutschland noch unbeantwortet, meint Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.

Über ungelegte Eier redet man nicht, heißt eine Volksweisheit, die auch in der Branche beherzigt wird – vor allem im Blick auf die Mitbewerber. Da muss es schon ein Meilenstein sein, ein Durchbruch, wenn es etwas zu melden gibt. Amazons Nachricht aus dem Juli 2010, dass man jetzt mehr E-Books als Hardcover verkauft, war so eine Botschaft. Kaum eineinhalb Jahre später ist es bei Libri.de so weit: E-Books sind das absatzstärkste Format auf Libri.de – die angeschlossenen Partnerbuchhandlungen nicht mitgerechnet. Doch welche Tragweite hat diese Nachricht? Sagt sie etwas über die Größe des E-Book-Markts in Deutschland? Sagt sie nicht. Bedeutet sie nicht vielmehr, dass sich nun die Minorität der E-Book-Käufer auf den wenigen Online-Plattformen und nicht im stationären Sortiment tummelt? Schon eher. Ist sie ein Indiz für die Substitution gedruckter Bücher durch digitale? Dafür gibt es erste Anzeichen, heißt es bei Libri.de. Lösen E-Books weitere Kaufimpulse aus? Dazu noch keine Aussage.

Verständlich, dass sich die Protagonisten in einem jungen, sich formierenden Markt nicht in die Karten schauen lassen wollen. Nachvollziehbar auch, dass man Signale in die Branche aussendet, die Erfolgsmeldung und Marktindikator zugleich sind. Problematisch daran ist aber, dass diese Meldungen den Nebel nicht lichten, sondern für Verunsicherung sorgen, indem sie den Druck auf alle (Buch-)Handelnden erhöhen. Der würde allerdings auch ohne diesen Meldungseifer zunehmen, weil der Wandel hin zu elektronischen Büchern unaufhaltsam ist – trotz Kinderkrankheiten und Anfängerfehlern, trotz manchen E-Reader-Rückrufs oder Fehlkalkulationen. Es gibt kein Zurück.