Feridun Zaimoglu zur Diskussion um Christian Kracht

„Spannend wäre, zu klären, ob es eine Krise der Literaturkritik gibt“

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Der Schriftsteller Feridun Zaimoglu hält den „Spiegel“-Artikel „Die Methode Kracht“ für einen "widerwärtigen Text". Ein Gespräch über Mechanismen des Literaturbetriebs.

Warum haben Sie den offenen Brief an den „Spiegel“ unterzeichnet?
Weil mich diese sich als Literaturkritik ausgebende Denunziation aufgeregt hat. Das Seltsame daran war, ich lese kaum Zeitungen und Zeitschriften. Ein Freund reichte mir den »Spiegel« morgens beim Kaffee. Ich habe dann noch in der Bäckerei ausgerufen: „Das gibt’s doch gar nicht, das ist ja widerlich!“ Ich hatte sofort nach dem Lesen das Gefühl, es mit einem widerwärtigen Text zu tun zu haben. Hier wird ein Autor, mit dem ich mich auch gestritten habe, fertiggemacht. Wir Schreiber bekommen von Kritikern immer wieder eins auf die Mütze, da können wir uns nicht wehren. Der „Spiegel“-Text aber überschreitet die Grenzen der Anständigkeit.

Worum ging es in Ihrem Streit mit Christian Kracht?
Ich habe unter der Überschrift  „Knabenwindelprosa“ in der „Zeit“ auf das von Kracht mitverfasste  Buch „Tristesse Royale“ reagiert. Da gab es einen Landjunkerton, ich fand das erbärmlich. Aber das war ein anderer Fall, da sprach Christian Kracht als Christian Kracht. Die haben sich auch nicht lumpen lassen und selbstverständlich zurückgeschlagen. Und das mag ich auch: Wer austeilt, muss auch einstecken können.

Haben Sie „Imperium“ gelesen?
Nein. Es geht in diesem Protestschreiben um den „Spiegel“-Text. In dem wird Christian Kracht als zwielichtige Person geschildert. Das aber lässt sich, wie Herr Diez selbst schreibt, nicht aus dem Roman ableiten.

Ist das der Versuch, sich auf Kosten eines Autors zu profilieren?
Ich habe ehrlich gesagt Besseres zu tun, als mir über die Motive weniger eines Literaturkritikers als eines Buchbesprechers den Kopf zu zerbrechen. Das mag überheblich klingen, ist aber so nicht gemeint. Mein Alltag sieht vor, dass ich Geschichten schreibe. Da käme ich nicht sehr weit, wenn ich überlegen müsste: Ist das Profilneurose? Ist das der Wille, selbst zu provozieren? Über die Motive nachzudenken, kann ja auch nur spekulativer Natur sein.

Dem „Spiegel“-Redakteur Georg Diez ist es immerhin gelungen, eine Debatte anzuzetteln.
Ich würde das nicht als Debatte ansehen wollen. Es ist einfach so, dass einer die Grenzen des guten Geschmacks überschritten hat. Dagegen wird sich verwahrt. Eine Literaturdebatte könnte daraus werden, wenn diese Diskussion anhält und die Kritiker über sich und ihr Handwerk nachdenken. Alle paar Jahre wird die Frage aufgeworfen, ob es eine Krise der Literatur gibt. Spannend wäre doch zu klären, ob es eine Krise der Literaturkritik gibt. Im Übrigen, auf allen Seiten wird die Freiheit der Kunst bemüht. Dass sie Grenzen hat, ist selbstverständlich.

Teilen Sie die Einschätzung, dass Literaturkritik eher häufig zu brav ist, nicht aber zu barsch?
Nein, das sehe ich nicht so. Da wir miteinander reden: Wenn Sie sich die Rezensionen meiner Bücher der letzten Jahre anschauen ...

... dann findet man glänzende Besprechungen ...
... ja, darüber freue ich mich, aber es gibt auch harsche Kritiken. Und ich habe etwas erlebt, was ich nicht meinem ärgsten Feind wünsche. Ich hatte es mit einer saftigen Lüge zu tun, der Plagiatslüge. (Emine Sevgi Özdamar hatte Feridun Zaimoglu vorgeworfen, bei ihr abgeschrieben zu haben, was sich als falsch herausstellte.) Ich habe acht dunkle Wochen erlebt. Obwohl ich die Offenlegung meiner Quellen mehrfach angeboten habe, waren einige Kritiker mehr damit beschäftigt, mir eins mitzugeben, um es zurückhaltend zu sagen. Ich glaube, jeder Schreiber kann davon erzählen, dass die Kritiker keineswegs zahm sind.

Interview: Holger Heimann