Nachruf

Nachruf auf Klaus-Dieter Baumann

19. März 2012
von Börsenblatt
Am 28. Februar ist der Korrekturleser Klaus-Dieter Baumann gestorben. "Von ihm konnte selbst der versierteste Lektor noch etwas lernen", schreibt der Berliner Lektor Rainer Wieland in seinem Nachruf.

In der Industrie des Büchermachens und Verlegens, die nach außen oft laut und schrill ist, gibt es zahlreiche Arbeiter, die unsichtbar im Verborgenen wirken und von denen kaum jemand Notiz nimmt. Zu ihnen gehören die Korrekturleser.

Kein Impressum erwähnt sie, kaum je finden sie in einer Danksagung Erwähnung. Ihr Ansehen innerhalb und außerhalb der Branche ist im Allgemeinen nicht besonders hoch, sie sind ja "nur" für das Formale zuständig, für falsch geschriebene Wörter und falsch gesetzte Kommata, und nicht für das Inhaltliche. Als ob sich das eine vom anderen trennen ließe! Ihre Unverzichtbarkeit offenbart sich immer dann, wenn man das Buch eines Verlages in Händen hält, der glaubt, auf ihre Dienste verzichten zu können.

Einer der herausragenden Vertreter seiner Profession war Klaus-Dieter Baumann. Still und zurückgezogen lebte er im pfälzischen Saulheim, in gebührendem Abstand zu den Verlagsmetropolen. Selten einmal besuchte er die Buchmesse, mied Verlags- und Literaturfeste – das Rampenlicht war seine Sache nicht. Die allerwenigsten, die mit ihm zusammenarbeiteten, haben ihn überhaupt je zu Gesicht bekommen.

Über dem Blick auf das Formale verlor er den Inhalt nie aus den Augen. Legendär sind seine – zuweilen bissigen – Kommentare, mit denen er sich angesichts besonders grober grammatikalischer Schnitzer Luft verschaffte: Sie füllten die Ränder der Fahnenseiten, und wenn der Platz dafür nicht reichte, wurden sie auf der Rückseite fortgeführt. Von ihm konnte selbst der versierteste Lektor noch etwas lernen. Über viele Jahre hinweg war Klaus-Dieter Baumann als Korrekturleser der Anderen Bibliothek verbunden, regelmäßig arbeitete er für den Diogenes Verlag und andere Verlagshäuser.

Am 28. Februar 2012 ist Klaus-Dieter Baumann überraschend verstorben. Eines der letzten Bücher, das er Korrektur las – "Das Wunderbarliche Vogelnest" Hans Jacob Grimmelshausens in der Übertragung von Reinhard Kaiser – handelt von einem Soldaten und einem Kaufmann, die sich mit Hilfe besagten Vogelnestes unsichtbar machen, und den Abenteuern, die sie dabei erleben. Auch wenn er selbst für so viele unsichtbar geblieben ist: Alle, die von seinem Scharfblick, seiner Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit profitieren durften, sind Klaus-Dieter Baumann zu großem Dank verpflichtet.

Lisa Jordi (Lektorin Diogenes Verlag, Zürich), Petra Müller (Lektorin u. Herausgeberin, Berlin), Palma Müller-Scherf (Berlin), Rainer Wieland (Lektor u. Herausgeber, Berlin)