Kommentar

Kein Wunderland, nur eine andere Welt

4. April 2012
von Börsenblatt
Dem Bahnhofsbuchhandel geht es vergleichsweise gut. Die Marktführer kaufen nach wie vor zu – und erweitern ihr Angebot. "Am Bahnhof ist Amazon weit weg und von E-Books geht noch keine Konkurrenz aus", meint Börsenblatt-Redakteurin Tamara Weise.

Valora hat im vergangenen Jahr einen Rückschlag hinnehmen müssen: Der erfolgsverwöhnte Konzern erzielte zehn Prozent weniger Gewinn. Statt 63,7 Millionen Schweizer Franken (ca. 53 Millionen Euro), wie im Vorjahr, blieben am Ende 57,4 Millionen Schweizer Franken übrig – und das bei einem Gesamtumsatz von rund 2,8 Milliarden. Die Ursache dafür liegt aber nicht im Retail. Denn der Handelssparte geht es vergleichsweise gut. Probleme zeigen sich eher im Grossogeschäft mit Zeitungen und Zeitschriften – und bei den Logistikservices im Heimatland, für sogenannte Fast Moving Consumer Goods, also zum Beispiel Nahrungsmittel und Kosmetik. Mit anderen Worten: Darum, dass in den Läden die Kunden ausbleiben, scheint sich Valora erst einmal wenig Sorgen machen zu müssen. Und so geht die Expansion unvermindert weiter – bei Valora genauso wie bei anderen Filialisten, die an Verkehrsknotenpunkten aktiv sind.

Warum das möglich ist? Mathias Gehle, Chef von Valora Retail Deutschland, verweist da auf zwei Faktoren: Anders als Thalia & Co. habe man kein Flächenproblem, zudem fördere man Impulskäufe in den Läden – durch "eine klare Struktur und einen emotionalen Auftritt, der auch jüngere Zielgruppen anspricht und international verständlich ist". Das klingt zwar gefällig, bietet sich aber trotzdem nur bedingt als Erfolgsrezept für jeden an: Um sich Nachhilfe zu holen, wären die Press & Books-Läden jedenfalls der falsche Ort – weil an Bahn- und Flugsteigen nun mal andere Regeln gelten. Amazon ist weit weg und E-Books sind noch keine Konkurrenz, Kunden erwarten weder Sortimentstiefe noch Beratung oder Lieferservice. Und Multichannel-Konzepte, so sie denn entwickelt werden, greifen zumindest derzeit noch ins Leere. Wenn sich der traditionelle Buch- vom Bahnhofshandel etwas abschauen kann, dann vielleicht dieses: Wie wichtig es ist, sich auf seine Kunden zu konzentrieren – um Langeweile beim Einkaufen gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Lesen Sie dazu auch den Artikel "Sonderkonjunktur am Gleis" im kommenden Börsenblatt, Heft 14, Seite 18/19.