Welttag des Buches

"Ein bisschen buchverrückt"

23. Juli 2015
von Christina Busse
Charlotte Roche lieferte sich einen Schlagabtausch mit Ulrich Wickert, John Neumeier erzählte von seiner Ballett-Bibliothek: Bei der Weltnacht des Buches auf dem Hamburger Rathausmarkt wurde gefeiert, gelacht, gelesen.

Eine von dunkelgrünen Stoffbahnen umrahmte Bühne, seitlich eine Großbildleinwand und eine Hand voll weißer Pavillonzelte – kurz bevor das Programm zur World Book Night auf dem Hamburger Rathausmarkt am späten Nachmittag startete, lag der große Platz in der City noch etwas verwaist unter dem grauen Wolkenhimmel. Doch das änderte sich schlagartig, als pünktlich um 17.30 Uhr Ulrich Wickert, sonnengebräunt und ausgestattet mit dickem Schal und Mantel, das Wort ergriff.

 

Der Fernsehjournalist und Buchautor führte durch das Programm der Weltnacht des Buches, zu dem sich über 25 prominente Bücherfreunde angekündigt hatten. Das „Fest der Fantasie und der Lesefreude“ (Wickert im Trailer auf You Tube) fand zum ersten Mal nach britischem Vorbild in Deutschland statt – als Finale zum Welttag des Buches und als Höhepunkt der neuen Aktion „Lesefreunde“.

Nachdem Joerg Pfuhl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Lesen, das Publikum – "die besten Botschafter fürs Buch sind Leser, Menschen wie Sie" – begrüßt hatte, erklärte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz, was er an Büchern besonders schätzt: „Sie eröffnen Welten, die man sonst vielleicht nicht betreten hätte, und tragen zum Weltverständnis bei.“

Ballett-Star John Neumeier erzählte von seiner Bibliothek, in der er bisher rund 14.000 Bücher rund ums Thema Ballett zusammengetragen hat. „Ich bin einfach ein bisschen buchverrückt. Ich komme in der Welt herum und schleppe von überall her Bücher an“, beschrieb er seine Leidenschaft, bevor er Richtung Hamburger Oper entschwand.

Mit einem „Aufwärmprogramm“ und augenzwinkernden Anleihen aus der Bühnenshow der Backstreet Boys brachte Poetry Slammer Lars Ruppel das Publikum in Schwung. Seine wortwitzige Rezitation von „Holger, die Waldfee“ verschaffte ihm mit Sicherheit einige neue Fans aus einer Zielgruppe, die sonst seltener in der Literaturszene zu finden ist. 

So unterschiedlich wie Bücherfreunde sind, so vielfältig waren die prominenten Gäste, die im Laufe des Abends ihre Lieblingsbücher präsentierten – Nachrichtensprecher Tom Buhrow las Bukowski – oder über ungewöhnliche Lesegewohnheiten und prägende Leseerlebnisse plauderten.

Einen kleinen verbalen Schlagabtausch lieferte sich Ulrich Wickert mit Charlotte Roche. „Ich erarbeite mir die Literaturklassiker gerade alle selbst. Ich war schlecht in der Schule und ich hatte miese Lehrer, die mir die Klassiker versaut haben“, berichtete sie. Besonders beeindruckt sei sie von Max Frischs Werk „Montauk“. Wickert: „Ich habe Max Frisch damals gemeinsam mit der Frau, die er darin beschreibt, getroffen.“ Roche: „Und, sah die Frau denn geil aus?“ Wickert: „Bei Ihnen muss das gleich ‚geil‘ sein! Nein! Sie sah nett aus!“ Nachdem Charlotte Roche eine Kostprobe aus ihren „Schoßgebeten“ gegeben hatte, konnte sich Ulrich Wickert wieder sichtlich entspannen: „Vielen Dank für dieses absolut harmlose Leseerlebnis“.

Während auf der Bühne das millionste Buch der Aktion „Lesefreunde“ überreicht wurde, herrschte auch am Stand der „Lesefreunde“ noch einmal großer Andrang. Hier konnten sich die Besucher unter 25 Titeln ein Buchgeschenk auswählen. „Der ‚Schneemann‘ von Jo Nesbo ist bereits vergriffen", so Marie-Lena Axmann, Auszubildende zur Verlagskauffrau bei Hoffmann und Campe, die hier gemeinsam mit Azubis anderer Verlage die Stellung hielt. 

 

Bei dem starken, prominent besetzten Programm hätten zwar ruhig ein paar mehr Gäste auf den Rathausmarkt kommen können, wie Arche-Verleger Nikolaus Hansen befand. Die gute Stimmung der feiernden Lesefreunde konnte das kühle Hamburger Wetter trotzdem nicht trüben. Gegen Ende, um 20.30 Uhr, zeigte sich doch noch die Sonne am Abendhimmel – dann wurde der Stab auf der Bühne an die World Book Night in London übergeben.