Gastspiel

Interaktion mit dem Kunden

3. Mai 2012
von Börsenblatt
Offline und online müssen im Buchhandel stärker zusammengehen – im Interesse von Konsumenten und Verlagen. Thesen von René Kohl.
Der Buchkäufer ist mündig geworden. Er braucht die Recherche des Sortiments viel weniger als früher. Das entlastet den Buchhändler und gibt ihm die Möglichkeit, sich auf eine andere Kernaufgabe zu konzentrieren: Er kann mehr empfehlen.

Zur Empfehlungskompetenz gehört dabei aber auch ein digitaler Ansatz – denn nicht nur Amazon und Co., sondern auch der Direktvertrieb der Verlage nimmt dem stationären Sortiment Umsatz ab (Verlage haben bessere Shops als der Buchhandel). Der Umsatz des stationären Sortiments mit E-Commerce-Elementen ist erschreckend niedrig. Dies liegt weniger am Kunden als am fehlenden Angebot.

Das Angebot des stationären Sortiments spielt im Internet keine Rolle. In den Köpfen selbst der Stammkunden gibt es die stationäre Buchhandlung für tagsüber, und die Online-Buchhandlung für den Feierabend und das Wochenende – Prime Time für den Wettbewerber.

Der aktuelle Dreisatz des stationären Sortiments lautet: Wir können alle Bücher besorgen, Titelkataloge gibt es nur bei den großen Partnern –, also müssen wir deren Standardlösungen für unseren Webauftritt nutzen. Stattdessen könnten die Buchhändler aber auch sagen: "Wir bespielen pro Jahr aktiv rund 1.500 relevante Hardcover. Vor allem diese verkaufen wir in unserem Onlineshop. Der muss geeignet sein, 3.000 Titel bestmöglich zu präsentieren und über die Sortimentsstruktur, unsere begründeten Empfehlungen, Bestandsinformationen (im Laden, nicht beim Barsortiment), Sonder- und Non-Book-Angebote, Services und Spezialsortimente zu informieren. Unser Ziel ist es, uns vom Wettbewerber abzuheben." E-Commerce meint dabei nicht nur Versandhandel – man kann auch einen Onlineshop mit Abholfach anbieten.

Das Internet gehört auch in die Buchhandlung. Schon heute – bevor E-Books zum Massenprodukt werden – vertragen viele buchhändlerische Produkte multimediale Unterstützung, wie sie über das Internet zu gewähr-leisten ist. Dazu müssen die Shop-Infrastruktur überarbeitet und neue lokale Präsentationsformen entwickelt werden, um das reichhaltig erstellte Verlagsmaterial besser zu verwerten. Dabei gilt: besser Cross-Channel als Multi-Channel. Nicht viele Marketing-Kanäle nebeneinander, sondern ein integriertes und erweiterbares Konzept der vorhandenen Kanäle. Diese müssen sich aufeinander beziehen, einander ergänzen und empfehlen.

Internet, Mobile Commerce und Social Media bedeutet: tun, nicht lassen. Das Internet ist kein Plakat, das an der Wand hängt. Man muss es aktiv bespielen. Der Witz des Internets, noch verstärkt durch Social Media und Mobile Commerce, besteht darin, mit dem Kunden zu interagieren.

Machen heißt lernen. Wir entwickeln nur dann eigene digitale Kompetenzen, wenn wir selbst für konkrete Fragen im Kontakt mit dem Kunden konkrete Lösungen finden. Kompetenz gibt es nicht durch Zuschauen.

Verlage brauchen das Sortiment, offline wie online. Es wäre suboptimal, wenn alle Präsentation und Empfehlung künftig nur noch digital geschähe. Der Kunde will beides: Trailer und Blättern, Hörprobe und Papier. Offline und online muss stärker zusammengehen. Ansonsten verlieren auch die Verlage einen großen Hebel in der Produktvorstellung.

René Kohl, Inhaber der Internetbuchhandlung Kohlibri, Berlin.