Stellungnahme der VG Wort

"Urteilsgründe werden derzeit geprüft"

30. Mai 2012
von Börsenblatt
Wie berichtet, hat das Landgericht München der Klage des Patentrichters Martin Vogel gegen die VG Wort stattgegeben und entschieden, dass die Beteiligung von Verlagen an der Ausschüttung nicht zulässig ist. Dazu eine Stellungnahme der VG Wort:

Bei der Klage zum Aktenzeichen 7 O 28640/11 handelt es sich nicht um eine „Musterklage“, sondern um die Klage eines einzelnen Autors, der nicht damit einverstanden war, dass u.a. ein Verlagsanteil von seinen Tantiemen einbehalten und an den Verlag ausgeschüttet wurde. Das Gericht hat seine Entscheidung ausdrücklich auf den konkreten Sachverhalt hinsichtlich dieses Autors beschränkt. Trotzdem kann das Verfahren vor dem Landgericht München erhebliche Bedeutung für die Praxis der VG WORT – und anderer Verwertungsgesellschaften – haben, wenn es rechtskräftig werden sollte.

Die Urteilsgründe werden derzeit von der VG Wort geprüft und in ihren Gremien beraten. Die möglichen Auswirkungen der Entscheidung sind nicht so klar, wie manche Berichterstattung annimmt. Das Landgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Kläger seine Vergütungsansprüche durch den Abschluss des Wahrnehmungsvertrages im Jahr 1984 an die VG WORT vollständig abgetreten habe. Eine spätere Abtretung an den Verlag sei daher nicht mehr möglich gewesen. Dem Verlag des Autors könnten daher wegen derselben Rechte keine Ausschüttungen durch die VG WORT zustehen.

Das Gericht ließ offen, wie zu verfahren ist, wenn ein Autor seine Vergütungsansprüche zuerst einem Verlag und dann möglicherweise der VG Wort durch den Wahrnehmungsvertrag abgetreten hat. Es deutete jedoch an, dass in einem solchen Fall auch Autoren „zu Unrecht begünstigt“ sein könnten. Eine solche Abtretung war vor Einführung des § 63a UrhG zulässig und ist auch auf der Grundlage des geltenden § 63a UrhG möglich, wenn der Verlag die abgetretenen Ansprüche seinerseits wieder in die VG WORT einbringt. Sie ist im Bereich wissenschaftlicher Veröffentlichungen weit verbreitet. Nach dem Urteil des LG München kann nicht mehr ausgeschlossen werden, dass  bei einer solchen Konstellation der Verlag 100 % der Ausschüttung erhält und der Autor leer ausgeht. Ebenso ist denkbar, dass es bei der bisherigen Teilung bleiben kann.

Die VG WORT nimmt aufgrund von Einzelmeldungen für ca. 287.000 bezugsberechtigte wissenschaftliche Autoren Vergütungsansprüche wahr, ohne dass ein vollständiger Wahrnehmungsvertrag mit ihr abgeschlossen wurde. Die Entscheidung des Landgerichts München könnte sich hier in vielen Fällen zum Nachteil von Autoren auswirken.

In jedem Fall wäre eine Überprüfung im Einzelfall erforderlich, ob die Vergütungsansprüche durch Autor oder Verlag in die Verwertungsgesellschaft eingebracht worden sind, wenn das Urteil Bestand haben sollte.
Ob eine solche Überprüfung überhaupt zu leisten wäre, ist unklar. Zumindest ist aber abzusehen, dass der Verwaltungsaufwand und daher die Verwaltungskosten erheblich steigen würden.

Vor dem LG München hatte sich der Kläger u.a. auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom  9. Februar 2012 berufen. Diese Entscheidung, der so genannte Fall  „Luksan“, befasst sich vor dem Hintergrund des europäischen Rechts mit der Frage der Abtretbarkeit von Vergütungsansprüchen der Filmurheber an ihre Produzenten nach österreichischem Urheberrecht. Die Frage, ob es europäischem Recht widerspricht, wenn – wie in Deutschland -  Vergütungsansprüche an Verlage abgetreten werden können, die sie wiederum in eine Verwertungsgesellschaft von Autoren und Verlagen einzubringen haben, war nicht Gegenstand der Klage vor dem EuGH. Auch das LG München hat insoweit keine Stellung genommen. 
Die VG WORT wird mögliche Auswirkungen des Urteils des LG München auf die bevorstehenden Ausschüttungen im Verwaltungsrat und in der Mitgliederversammlung Ende der Woche in Berlin beraten. Sie hat zudem ihre Aufsichtsbehörde, das Deutsche Patent- und Markenamt, über das Urteil informiert und um aufsichtsrechtliche Prüfung gebeten.