Kommentar

Der Zug steht schon am Gleis

31. Mai 2012
von Börsenblatt
Laut einer aktuellen Studie nutzen bereits neun Millionen Deutsche ihr Smartphone auch für den Einkauf. Vom Buchhandel werden sie allerdings derzeit nur von wenigen Unternehmen mobil bedient. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteurin Tamara Weise.
Ein SAP-Manager hat vor Kurzem eine kuriose Rechnung aufgemacht – eine, deren Absender auch gut und gern die "Titanic" sein könnte: Weltweit gebe es bereits mehr Handys als Zahnbürsten, verkündete er vor versammelter Presse, und sowieso würden schon jetzt doppelt so viele Smartphones gekauft wie Kinder geboren …

Dass die Zahl der Smartphones von Tag zu Tag größer wird, lässt sich auch ohne SAP und "Titanic" erkennen, mit bloßem Auge. Morgens in der Bahn, mittags im Café und abends beim Einkaufen: Überall und zu jeder Zeit ziehen Menschen einen dieser mobilen Alleskönner aus der Tasche, um mal eben ihre E-Mails zu lesen, eine Fahrkarte zu kaufen oder im Internet nach einem Preis zu suchen. Und sie tun das längst mit einer Selbstverständlichkeit, die der Buchbranche zu denken geben muss. Wenn der Bundesverband des Deutschen Versandhandels mit seiner aktuellen Umfrage nicht danebenliegt, ist das Überall-Internet bereits für rund neun Millionen Deutsche Alltag – besonders für die jüngeren, besser ausgebildeten und verdienenden. Mit halben Sachen werden sie sich kaum zufriedengeben: Sie fordern von Unternehmen mobil zu Recht den gleichen Service ein wie am PC. Konkret: Dass sich ein Webshop auf einem kleinen Bildschirm ähnlich komfortabel bedienen lässt wie an einem großen – in Sachen Produktauswahl und -beschreibung ebenso wie bei der Gestaltung.
 
In der Buchbranche mögen erst wenige Unternehmen ins mobile Geschäft investieren, doch auch beim Bücherkauf werden die Ansprüche der Kunden wachsen. Zweifellos sogar, denn Amazon setzt hier einmal mehr Standards. Kosten hin oder her: Will der Buchhandel nicht als Technologiewüste wahrgenommen werden, bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als ebenfalls Position zu beziehen – entweder, indem Buchhändler selbst aktiv werden (so wie es zum Beispiel Osiander macht) oder ihre Dienstleister dazu ermuntern.