"Schwarzbuch WWF": Interview mit Torsten Kutschke

"Freiheit der Gedanken"

12. Juni 2012
von Börsenblatt
Diesen Freitag (15.6.) entscheidet das Landgericht Köln über die einstweilige Verfügung des WWF gegen das "Schwarzbuch WWF". Torsten Kutschke, Chefredakteur der Zeitschrift "Kommunikation & Recht", über mögliche rechtliche Folgen für die Buchbranche nach dem Urteil - und Selbstzensur.

WWF Deutschland hat bei Amazon, Weltbild, Thalia, Libri und KNV gegen das "Schwarzbuch WWF" Unterlassungsansprüche geltend gemacht. Daraufhin haben die Unternehmen das Buch aus dem Sortiment genommen. Was hätten Sie den Online-Buchhändlern und Grossisten empfohlen?
Kutschke: "Buchhandel kuscht vor WWF" war die pointierte Überschrift der "Frankfurter Allgemeinen Sonnntagszeitung" (FAS) von Anfang Juni. Einige unabhängige Buchhändler haben den Zeitungsausschnitt ins Schaufenster gehängt mit einem "Wir nicht". Das nötigt Respekt ab. Konkret raten kann man wohl niemandem etwas, das muss jedes Unternehmen mit sich und seinen Leitlinien ausmachen. Wenn man aber die Historie sieht - offenbar massive Einflussnahmeversuche des WWF im Vorfeld, erfolglose presserechtliche Abmahnung, Antrag auf eine "Einstweilige Verfügung", dem das Gericht (wie leider so oft) nicht nachkommt, sondern zunächst eine mündliche Verhandlung anberaumt - dann würde ich eher zur Freiheit der Gedanken tendieren als zu einer gewissen Art der Selbstzensur.

Aber die Fakten und die angegriffenen Punkte sind aus der Ferne schwer zu beurteilen. Nach dem Bericht der FAS habe ich mir das Buch sogleich beim Verlag bestellt. Und werde mir die Begründung einer Entscheidung auf jeden Fall durchlesen - auch um zu schaun, wie "gravierend" die angeblich falschen Tatsachenbehauptungen über den WWF sind. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass bei kritischen Artikeln so lang nach falschen - auch unbedeutenden - Behauptungen gesucht wird, bis man irgendwo fündig wird. Um dann sagen zu können, dass man erfolgreich gegen den Text vorgegangen sei.

Welche rechtlichen Konsequenzen gibt es für Buchhändler, die das Buch bis zu einem Urteil weiterverkaufen?
Kutschke: Das Buch (oder Auszüge davon) ist derzeit nicht verboten. Jeder kann es verkaufen. Und kaufen. Wenn ein Buchhändler die Aufforderung zur Unterlassung des weiteren Verkaufs bekommen - und diese nicht unterzeichnet hat, kann er ebenfalls das Buch im Sortiment behalten. Nur wer die geforderte Unterlassung gegenüber dem WWF und dessen Anwälten abgegeben hat, darf das Buch nicht mehr verbreiten.

Am 15. Juni entscheidet das Landgericht Köln über die einstweilige Verfügung des WWF. Falls dem stattgeben wird, was würde das für den Verlag, die Buchhändler und die Grossisten bzw. großen Online-Buchhändler bedeuten?
Kutschke: Zunächst wieder einen Einschnitt in die Freiheit des Wortes. Wie schon gesagt, mehren sich die Fälle, in denen Autoren kritischer Bücher mit presse- und persönlichkeitsrechtlichen Unterlassungen "bestraft" werden. Oft auch über Behauptungen, die beim besten Willen nicht relevant sind. Ich hoffe gleichwohl, dass der Verlag gewinnt. Wenn die einstweilige Verfügung erst einmal erlassen ist, dürfte der Verlag das Buch bzw. die angegriffenen Passagen vorerst nicht weiter verbreiten. Bis eine eventuell höhere Instanz anders entscheidet. Bücher, die noch im Buchhandel sind, wären davon zunächst nicht betroffen, es sei denn, das Gericht entscheidet hier etwas anderes.

Interview: Kemal Calik

Rechtsanwalt Torsten Kutschke ist Chefredakteur der medienrechtlichen Zeitschrift "Kommunikation & Recht" sowie Leiter der Rechtsabteilung der Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag in Frankfurt am Main.