Förderpreis für junge Buchgestaltung 2012

"Fotos im irritierenden Reality-Stil "

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Die drei Preisträger im Wettbewerb "Förderpreis für junge Buchgestaltung – Das Buch von morgen" der Stiftung Buchkunst stehen fest: Hans-Jörg Pochmann, Katharina Triebe und das Atelier Zwoacht. Die Auszeichnungen werden am 5. September von Kulturstaatsminister Bernd Neumann in Frankfurt am Main überreicht.

Für den Wettbewerb, der seit diesem Jahr eigenständig neben den "Schönsten Büchern" veranstaltet wird, wurden 199 Buchprojekte eingereicht. Eine fünfköpfige Expertenjury aus Hochschulprofessoren, Museumsdirektoren und Gestaltern wählte die drei besten Arbeiten aus, teilt die Stiftung Buchkunst mit.

Mit dem "Förderpreis" werden innovative Ideen zu gedruckten Büchern und hybride Buchformen ausgezeichnet. Das Bundesministerium für Kultur und Medien "unterstützt diese Forschungsarbeit am Medium Buch", so die Stiftung Buchkunst weiter, mit Geldpreisen in Höhe von je 2.000 Euro für die Preisträger. Die Auszeichnungen werden vom Kulturstaatsminister Bernd Neumann am 5. September im Museum für Angewandte Kunst Frankfurt überreicht.

Die Förderpreise 2012 gehen an (kursiv Auszüge aus den Jurybegründungen):

Hans-Jörg Pochmann für:

Gian-Philip Andreas, Gesine Palmer: Fallen. Eigenverlag Hans-Jörg Pochmann, Leipzig. Satz, Typografie / Gestaltung: Hans-Jörg Pochmann, Leipzig. 35 Euro.

Es gibt sie immer mal wieder, diejenigen Bücher, die zwei Vorderseiten, aber keine Rückseite haben. Dieses hier ist auch so eines. Aber hier sind nicht einfach bloß zwei Hälften auf den Kopf gedreht und aneinander montiert, sondern man blättert beide Geschichten – eine deutsche, eine englische – jeweils bis zum Ende des Buches durch. (…) Der Text rotiert im Satzspiegel durch das ganze Buch um 180 Grad, der linksbündige Flattersatz ist geboten. Man beginnt mit dem Lesen auf einer rechten Seite, blättert weiter, dreht dabei das Buch immer ein bisschen mehr bis man auf einer linken Seite endet. Jetzt wäre man zwar durch die eine Geschichte etwas haltlos bis zum Buchende getaumelt, der Schwindel setzt sich hingegen fort mit dem gleichen Drehspiel der anderen Geschichte – in die entgegengesetzte Richtung ..."

Katharina Triebe für:

Katharina Triebe: Nachtwandel. Eigenverlag Katharina Triebe, Leipzig. Fotografien von Marcel Noack. Satz und Typografie/Gestaltung: Katharina Triebe, Leipzig. 50 Euro.

Im Inneren bleibt es nach dem schwarzen Vorsatzpapier zunächst dunkel. Erst auf Seite Drei steht der Schmutztitel: Nachtwandel. Schwarz auf Schwarz gedruckt reicht die geheimnisvolle Dunkelheit bis Seite Acht. Die Antiqualettern überraschen durch das altertümliche, lange S – in Gedanken fängt man an zu Lispeln. Und dann, nach zwei ganzseitig angeschnittenen Fotos im irritierenden Reality-Stil gibt es endlich die erste Textseite, aber oh Schreck: gesetzt in Fraktur! Der Text von 1792 wird nicht etwa faksimiliert, sondern ist frisch gesetzt mit Liebe zum Detail – ein Flattersatz zum Daniederknien.

Beide oben genannten Titel entstanden als Diplomarbeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.

Atelier Zwoacht: Tini Pittasch, Jens Schulz, Vivien Anders, Gregor Schreiter für:

LeibEigenschaften. Der beschädigte Körper im Blick der Moderne. Universität Bremen, Bremen. Typografie/Gestaltung: Tini Pittasch, Jens Schulz, Vivien Anders, Gregor Schreiter / Zwoacht, Bremen. 8 Euro, ISBN 978-3-88722-730-2.

Der kleine Ausstellungskatalog fällt mit dem ersten einer Folge ganzseitiger Bilder zum Thema "Leibeigenschaft" gleichsam mit der Tür ins Auge des Betrachters. Daneben gibt es einen Papierstreifen mit gestürzten Titelzeilen – das ist schon der ganze Einband. Von den ungewöhnlichen Bildern zum Inhalt geführt, kommt der Leser bei den Aufsätzen zum Thema der Leibeigenschaften an. Die gute Typographie, die guten Kontraste wohl abgestimmter Schriften und Schriftgrößen stimuliert die Auseinandersetzung mit den Textinhalten. (…) Ein Thema begreifen und ihm sensibel zur Seite sein – das gelingt dieser ausgezeichneten Broschur.  


Neben den drei prämierten Büchern, schafften es sieben weitere in die engere Auswahl. Diese werden in einer Shortlist gewürdigt, die auf der Website der Stiftung Buchkunst (unter "aktuell") zu finden ist. Dort auch die kompletten Jurybegründungen zu den drei prämierten Werken.