Buchtage 2012

Zentrale Branchenthemen auf der Agenda

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Buchmarketing, Finanzen und fünf Anträge: In Berlin hat am Freitag die Hauptversammlung des Börsenvereins getagt. Vorsteher Gottfried Honnefelder ging in seinem Bericht des Vorstands auch auf die Strafanzeige gegen die Börsenvereinsspitze ein. Mit großer Mehrheit verabschiedet: Das Buchmarketing der Branche.

Zum Auftakt betonte Honnefelder, dass sich die 188. Hauptversammlung des Börsenvereins nicht nur mit den alljährlichen Regularien beschäftigen werde. Wichtige Tagesordnungspunkte würden die zukünftige Ausrichtung des Gesamtverbands betreffen: "Sie könnten und sollten mit Ihrem Engagement unseren Verband mitgestalten. Nur so kann er ein starker Dienstleister für uns und ein glaubhafter Vertreter unserer Anliegen in Gesellschaft und Politik sein".

Was die Buchbranche in Politik und Gesellschaft stark mache, sei ihre Geschlossenheit, betonte Honnefelder in seinem Bericht des Vorstands: "Unsere Geschlossenheit ist unsere Zukunft". Der Verband stehe in Zeiten massiver Umbrüche aber auch vor größeren Herausforderungen als andere Wirtschaftsverbände, weil die Interessen stärker kollidieren würden. Vor allem die Diskussion über das zukünftige Urheberrecht fordere von der Branche ein neues Denken. Für die Kunst und die Kultur sei ein starkes Urheberrecht notwendig. Aber: "Wenn wir Optionen für die Zukunft entwickeln wollen, dürfen wir nicht gleichzeitig als Bremser agieren. Das bringt die Verlage und den Buchhandel nicht weiter".

Honnefelder ging auch auf die aktuelle Situation im Sortiment ein: Der Buchhandel habe im vergangenen Jahr mit einem Minus von drei Prozent die größten Umsatzeinbrüche der Branche verzeichnen müssen. Die Lage werde 2012 kaum besser werden, fürchtet Honnefelder. Das Sortiment müsse die Chancen und Herausforderungen der neuen Entwicklungen kämpferisch anpacken. "Alles andere führt auf Dauer in die Bedeutungslosigkeit". Doch die Situation sei nicht allein ein Problem des Sortiments: "Was machen Verlage, wenn die Vielfalt der Buchhandlungen fehlt? Es ist im Sinne von uns allen, weiter zu denken." Noch würden 50 Prozent aller Bücher über das stationäre Sortiment verkauft. "Der Buchmarkt in Deutschland hat ein solides Fundament, aber er hat es nur, weil der stationäre Buchhandel Teil dieses Fundaments ist".

Zum Schluss seines Jahresberichts ging Honnefelder auch kurz auf die Geschichte der BAG und die jüngst erfolgte Strafanzeige der eBuch-Genossenschaft gegen die Börsenvereinsspitze ein. Mit rund 11,7 Millionen Euro habe die solidarische Gemeinschaft der Verbandsmitglieder das Abrechnungssystem der Branche nach katastrophalen Managementfehlern vor dem Aus gerettet, so der Vorsteher: "Das war ein gemeinschaftlicher Kraftakt". Jetzt sei eine letzte Auswirkung der Geschichte zu verkraften.

Die von der Hauptversammlung, vom Vorstand und dem Aufsichtsrat der Börsenvereinsholding BBG für notwendig erachtete rechtliche Aufarbeitung des Fehlverhaltens im BAG-Management sei abgeschlossen, die Schadensersatzprozesse gegen Altgeschäftsführer der BAG seien auch in der Berufungsinstanz verloren gegangen, wie Honnefelder sagte. "In der Abwägung zwischen rechtlicher Pflicht, Ansprüche geltend zu machen, Prozessrisiko und nicht zuletzt der bitteren menschlichen Komponente" sei den Gremien keine Wahl geblieben. "Die Entscheidung darüber hat sich keiner leicht gemacht." Honnefelder erinnerte daran, dass die Beschlusslage auf der letzten Hauptversammlung eindeutig gewesen sei. "Ein Verzicht, Ansprüche geltend zu machen, war nur gegen die ehrenamtlich Tätigen gewollt".

Die Prozesskosten bezifferte Honnefelder mit über einer halben Million Euro, die aus dem Verkaufserlös der BAG bestritten woden seien - "die aber alle Beteiligten nicht fröhlich zur Kenntnis nehmen mussten".

Dass jetzt eine Strafanzeige in diesem Zusammenhang wegen Untreue in Bezug auf die Prozesskosten erhoben worden sei, "ist in der Geschichte des Verbands ein Novum". Damit werde eine sachliche Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema vermieden und auf ein strafrechtliches Verfahren gesetzt.

Bericht des Hauptgeschäftsführers

 

Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, befasste sich in seiner Rede mit dem Strukturwandel der Branche. Als allererstes fielen einem dazu die E-Books ein, so Skipis. Deren Relevanz sei deutlich gestiegen, ihr Marktanteil liege jetzt bei einem Prozent. Das sei sehr wenig. Einerseits. Andererseits habe sich etwa bei libreka! der E-Book-Verkauf im Vergleich zum Vorjahr verdreißigfacht. „Mit dieser Entwicklung ist ein enormer Wachstumsimpuls entfacht“, sagte Skipis. Der Mobilisierungsgrad in der Branche sei jedoch durchwachsen. „Wir haben so reagiert, wie wir seit Jahrhunderten reagieren: Uns gegenseitig in einen hohen Erregungszustand versetzt, in Richtung Kulturpessimismus gedacht. Dann haben wir uns mit der Technik beschäftigt, sie beherrschen gelernt.“ Jetzt gelte es, business as usual zu betreiben.

Skipis betonte, wie sehr das Internet die Branche, die Gesellschaft, die Kommunikation, den Umgang mit Informationen verändere. „Es geht im Handel um superschnelle Verfügbarkeit und Bequemlichkeit“, - dies führe zu einem Strukturwandel, der sich im stationären Sortiment deutlich abbilde. Das Minus von drei Prozent im vergangenen Jahr zeige, dass die Umsätze auf elektronische Plattformen abwandern, die nicht vom Buchhandel betrieben würden. „Haben wir das verstanden? Und handeln wir wirklich danach?“ Das Sortiment müsse die Herausforderungen annehmen und Webshops anbinden.

In Richtung der Verleger fragte Skipis eindringlich: „Ich frage die Verlage: Haben Sie die Dramatik erkannt? Hier geht es einer ganzen Sparte schlecht, mit 49 Prozent Marktanteil ist das Sortiment auf einem historischen Tiefststand.“ Die Verlage würden häufig antworten, dass sie ohnehin schon am meisten via Amazon verkauften. „Denken Sie daran, dass sie sich in eine Monopolstruktur und in Abhängigkeiten begeben. Ist es nicht sinnvoller, für eine Vielfalt zu sorgen, viele Vertriebswege zu haben und zu pflegen?“ Skipis erinnerte daran, dass das Internet Monopole macht. Als Beispiele nannte er Google, Facebook oder Youtube. Wer jetzt auf Amazon setze, werde morgen eventuell große Probleme haben. „Jetzt genau ist der Zeitpunkt gekommen, wo sich die drei Sparten zusammensetzen müssen“, mahnte Skipis.

Die Trennschärfe zwischen den Sparten sieht der Hauptgeschäftsführer künftig nicht mehr gegeben. Sein Stichwort: Spartenkonvergenz. „ Die Grenzen von Funktionen in unsere Branche beginnen sich aufzuweichen.“ Man müsse jetzt untereinander enger zusammenarbeiten, um die Zukunft gewinnen zu können. Die Börsenvereinsgruppe müsse so aufgestellt, dass sie als schnelles Beiboot agieren könne. „Wir müssen schneller und flexibler werden, dem Neuen gegenüber offener.“

In der Politik müsse das Thema Urheberrecht aktiv gestaltet werden. „Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass alle Rahmenbedingungen in Frage gestellt sind.“ Es gelt, die junge Politikergeneration zu gewinnen – die Entscheidungsträger von morgen. Gegenüber der Justizministerin habe man die Gangart geändert und ihre „die Leviten gelesen“. Das habe gesessen, nun werde endlich an einem Programm zum Urheberrecht gestrickt.

Im Verband wolle man Dienstleistungen entwickeln, die beim Strukturwandel helfen. So seien Marketing- und PR-Daten zunehmend wichtiger, deshalb habe man die Marktforschung ausgebaut. Geplant sei auch ein Politmonitor Tool. Dieses informiere über branchenrelevante Themen und ermögliche eine direkte Kommunikation.

Im Börsenverein würden die Strukturen verändert. Es gebe eine Stabstelle Unternehmensentwicklung, ein Qualitätsmanagement und Angebote für junge Leute, die im Verband mitarbeiten können. „Der Börsenverein möchte Innovator von Prozessen werden, kreative Impulse realisieren.“ Dies passiere etwa mit Formaten wie der Zukunftskonferenz, den Buchcamps, Round-Table-Seminaren, Prototype oder einer Neugestaltung des AKEP. „Das Zukunftslabor Börsenverein arbeitet schon. Bitte bringen Sie sich ein, dann können wir gemeinsam weiterkommen.“

 

Bericht des Schatzmeisters

Die Finanzen des Börsenvereins präsentierte Jürgen Horbach, Schatzmeister des Verbands – bekannt für seine launigen Einführungen zur doch eher trockenen Materie. Ein Baustatik-Buch aus dem 17. Jahrhundert hatte es ihm dieses Mal angetan. Figuren und Formeln aus dieser Pretiose dienten ihm als Transfer zur Statik des Börsenvereins. Wie in einem komplexen Gebäude, wimmle es im Börsenverein nur so vor Horizontal- und Vertikalebenen. Diese stünden nicht nur unter Druck, sondern übten selbst Druck aus, auch auf die Kasse des Verbands.

Druck habe es etwa bei der Mitgliederentwicklung 2011 gegeben. Durch Fusionen, Insolvenzen und Geschäftsausgaben gingen dem Verband jährlich etwa 100 Mitglieder verloren. In den vergangenen neun Jahren habe man 875 Mitglieder verloren. Monetär heißt das: 912.000 Euro, in jedem Jahr also etwa 100.000 Euro. Für die kommenden zehn Jahre rechnet der Verband mit einem Fortgang der Entwicklung, mithin mit einer Einbuße von einer weiteren Million Euro. Dieses Szenario ergebe sich durch den Strukturwandel und sei „keine akademische Übung“. Wie es mit der Finanzierung des Verbands weitergehen könne, damit habe sich der Vorstand bereits befasst – und werde sich darüber mit den Fachausschüssen austauschen.

Die Umsatzentwicklung der Wirtschaftsbetriebe 2011 bezeichnete Horbach als sehr gut. Auch die Ertragslage habe sich stabilisiert. Die Dienstleistungen der Börsenvereinsgruppe seien für das Funktionieren der Buchbranche unverzichtbar.

Derzeit verfüge die Gruppe über eine Liquidität von 16,9 Millionen Euro, wobei die freie Liquidität zwischen sechs und 6,5 Millionen Euro liege. Der Rest sei durch Dispositionen bereits festgelegt. Die Verschuldungssituation nannte Horbach „sehr erfreulich“. Man benötige keinen Cent Fremdgeld, gruppeninterne Darlehen machten das möglich.

Der immer wieder geäußerte Vorwurf, der Börsenverein schöpfe aus dem Vollen, leiste sich Überfluss, sei nicht zu halten. 6,1 Millionen Euro seien allein in den vergangenen acht Jahren nachhaltig eingespart worden - bei 1,7 Millionen Euro zusätzlicher Einnahmen. Die Einsparungen seien gelungen, obwohl die Aufgaben des Börsenvereins nicht weniger geworden seien. Sparen könne man immer, man könne aber auch die Einnahmen erhöhen. „Die Beiträge sind ein Teil davon, ein Thema, dem wir uns in Zukunft widmen. Nicht heute.“

Für 2012 rechnet Horbach mit einem Ergebnis von minus 99.000 Euro. Geschuldet sei dies der Unterstützung, die der Börsenverein für die Buchpreisbindungs-Kampagne in der Schweiz geleistet hat. Marianne Sax, Vorsitzende des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands, ebenfalls in Berlin anwesend, bedankte sich bei ihren Kollegen: „Ich möchte mich im Namen der Schweizer Branche für die Unterstützung bedanken. Aus der Kampagne ist die Schweizer Buchbranche gestärkt hervorgegangen. Ich hoffe, dass ein paar Tropfen der zusätzlichen Lebenssäfte nach Deutschland zurücktropfen.“ 

Das Budget 2013 ist gekennzeichnet von Sparbemühungen. So soll es etwa Senkungen bei den Personalkosten geben, außerdem Einsparungen bei Werbekosten und Messeauftritten. 

Sowohl Jahresabschluss 2011 als auch Budget 2013 wurden von den Mitgliedern mit einstimmig genehmigt.

Bericht des Bau-Ausschusses

Den Abschlussbericht Bauen in der Braubachstraße legte Stephan Joß, Vorsitzender des Bau-Ausschusses des Börsenvereins, vor. „Wir haben eine Punktlandung mit den Kosten und Abläufen hinbekommen“, so Joß. Man werde unterhalb der Grenze von 19,3 Millionen Euro bleiben, dies sei ein großer Erfolg. Als erfreulich wertete Joß auch die Mietverträge in der Braubachstraße, die jährlich 132.000 Euro einbringen würden. „Sie alle können mit dem Geld, das dort investiert worden ist, sehr zufrieden sein.“ Es sei ein sehr vernünftiges Umfeld für die Börsenvereinsgruppe geschaffen worden.

Zum Abschluss der Berichte sprachen die Mitglieder dem Vorstand die Entlastung für das Vereinsjahr 2011 aus - mit 204 Ja-Stimmen, 14 Enthaltungen und, bedingt durch die eBuch-Kritik an der Aufarbeitung der BAG-Krise, 49 Nein-Stimmen.

Bericht aus dem Nachwuchsparlament

Monika Kolb-Klausch, Geschäftsführerin des Mediacampus und Bildungsdirektorin des Börsenvereins, hob hervor, wie wichtig eine heterogene Mitarbeiterstruktur in den Unternehmen sei. „Es ist schön zu sehen, wie sich junge Menschen für die Ideen und Herausforderungen unserer Branche interessieren. Das sollten wir unterstützen.“

Tony Stubenrauch, Sprecher des Nachwuchsparlaments, zeigte sich erfreut über die mehr als 130 Teilnehmer am diesjährigen Programm des Gremiums. Der Nachwuchs hätte sein Programm selbst erarbeitet – und auch vier der gestrigen Round-Table-Themen gestaltet.

Vom Börsenverein wünscht sich Stubenrauch, dass die stärkere Einbindung in das Programm der Buchtage erhalten bleibt. Außerdem solle der Dialog zwischen den Generationen verstärkt werden. Das Thema Generationenmanagement müsste in den Unternehmen mehr in den Mittelpunkt rücken.

Gewünscht werden auch flexiblere Angebote für Studentenpraktika. Zudem sollten die Buchhandlungen und Verlage dem Nachwuchs die Chance geben, sich verstärkt einzubringen.

Vorsteher Gottfried Honnefelder dankte dem Nachwuchsparlament für sein großes Engagement. „Wir werden es sicher beibehalten, dass Sie hier auftreten. Ich finde das fabelhaft, in welcher Vielfalt Sie das ganze Feld angehen.“